Mit dem Bürokratie-Blödsinn soll Schluss sein, fordern Politiker
Für jede 30er-Zone braucht es ein Gutachten!

Tempo 30 ist in Quartieren längst Standard – trotzdem müssen Gemeinden für jede neue Zone ein Gutachten erstellen lassen. Das muss sich ändern, fordern Politiker und der Städteverband.
Publiziert: 26.07.2021 um 16:47 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2021 um 11:42 Uhr
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Um Tempo 30 einzuführen, können nicht einfach die Schilder ausgewechselt werden. Es braucht auch ein Gutachten. Allein für die Stadt Zürich wurden in den vergangenen vier Jahren fast 50 Gutachten erstellt.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Über hundert 30er-Zonen gibt es in der Stadt Bern. Und es werden immer mehr. In den vergangenen Jahren schossen die Tempo-30-Schilder in der ganzen Schweiz wie Pilze aus dem Boden. Auch in Basel oder Luzern ist heute eine Mehrheit der Strassen verkehrsberuhigt.

In der Realität längst die Regel, sind die 30er-Zonen im Gesetz hingegen bis heute die Ausnahme. Innerorts gilt Tempo 50. Will eine Gemeinde auf einem Streckenabschnitt das Tempo drosseln, muss sie das beantragen. Ein Riesen-Aufwand. Für jede einzelne beantragte Zone braucht es in der Regel ein Gutachten, in dem aufgezeigt wird, dass Tempo 30 wirklich angebracht ist. Manche Gemeinden erstellen dieses selbst, die meisten beauftragen dafür ein externes Planungsbüro. Allein die Stadt Bern hat in den vergangenen fünf Jahren rund 45 Gutachten verfassen lassen.

«Eine Schikane für die Gemeinden»

«Absurd», findet die Zürcher Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (40). Inzwischen sei völlig unbestritten, welche Vorteile Tempo-30-Zonen in Wohnquartieren hätten. «Dafür jedes Mal ein Gutachten erstellen zu lassen, ist eine totale Alibiübung und eine Schikane insbesondere für kleinere Gemeinden, die dafür unverhältnismässig viel Geld in die Hand nehmen müssen.»

Oft seien die Gutachten praktisch deckungsgleich; Verkehrsplanungs-Büros können teilweise ganze Kapitel einfach kopieren und müssen lediglich ein paar Formulierungen und Zahlen anpassen.

Bund tat lange nichts

Auch der Städteverband hält Gutachten für Tempo 30 auf Quartierstrassen für «unnötige Bürokratie», die die Gemeinden erst noch teuer zu stehen kommt. Die Kosten für ein Gutachten lägen im fünfstelligen Bereich, dazu komme der Aufwand für die Behörden, sagt Städteverbands-Direktorin Renate Amstutz (62). Der Verband ist der Auffassung, dass die Gutachten-Pflicht für Quartierstrassen «umgehend abgeschafft werden sollte».

Das Verkehrsdepartement (Uvek) hat schon vor sieben Jahren angekündigt, einen Bürokratieabbau zu prüfen. Pressant haben es die Beamtinnen und Beamten aber nicht. Bis heute hat sich nichts getan – auf Nachfrage von Grünen-Nationalrätin Schlatter wiederholte der Bundesrat vergangenes Jahr einzig sein Versprechen von 2014.

Die Parlamentarierin macht nun mit einem Vorstoss Druck. Unterzeichnet haben ihn Nationalrätinnen und Nationalräte aus allen Parteien ausser der SVP. Die Forderung: Der Bundesrat soll die Anforderungen für die Einführung von Tempo-30-Zonen vereinfachen. Die scharrenden Politiker im Rücken, macht das Bundesamt für Strassen vorwärts: Die Arbeiten für eine Vereinfachung der heutigen Praxis laufen, teilt das Amt auf Anfrage mit. Nächstes Jahr soll ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegen.

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