Mindestfranchise soll steigen
So lief Baume-Schneider ihren Bundesratskollegen ins Messer

Kranke sollen künftig tiefer in die Tasche greifen. Bundesrat und Ständerat wollen nämlich die Mindestfranchise erhöhen. Contre coeur vertreten muss den Entscheid SP-Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider.
Publiziert: 24.10.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2024 um 06:25 Uhr
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Der Bundesrat will, dass die Mindestfranchise bei den Krankenversicherten künftig steigt. Von heute 300 Franken jährlich könnte sie auf gegen 500 Franken steigen.
Foto: imago/Panthermedia

Auf einen Blick

  • Baume-Schneider kämpft für höhere Mindestfranchise im Parlament
  • SP-Bundesrätin wollte ursprünglich die Vorstösse ablehnen
  • Neue Mindestfranchise soll von 300 auf 500 Franken steigen
  • Finanzverwaltung und Seco plädierten für stärkere Eigenverantwortung
  • Widerstand von links gegen höhere Kostenbeteiligung erwartet
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Strafaufgabe für SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60): Die Gesundheitsministerin muss im Parlament für zwei brisante Vorstösse kämpfen. So sollen Kranke künftig mehr aus dem eigenen Sack zahlen, indem die Mindestfranchise bei den Gesundheitskosten erhöht wird.

So will es der Bundesrat. Letzten Monat gab er zwei gleichlautenden Vorstössen von SVP-Ständerätin Esther Friedli (47) und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr (40) grünes Licht, welche mit ihren Motionen die Mindestfranchise «den realen Gegebenheiten anpassen» wollen.

Statt wie heute mindestens 300 Franken müssten Patienten künftig wohl gut 500 Franken selbst berappen, bevor die Krankenkasse mitzahlt. Die Idee dahinter: Wer mehr selber zahlt, überlegt sich zweimal, ob er zum Arzt rennt – so würden die Prämien entlastet. Der Ständerat hat der Friedli-Motion in der Herbstsession bereits zugestimmt.

Auch Baume-Schneider plädierte in der Debatte für ein Ja, allerdings ohne grosse Begeisterung. Nicht ohne Grund: Ihre Bundesratsgspänli haben sie zu dieser Aufgabe verdonnert. Sie selbst wollte die Vorstösse zur Ablehnung empfehlen, wie Dokumente zur verwaltungsinternen Ämterkonsultation zeigen, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat.

Baume-Schneider wollte viermal Nein

Dabei ging es um ein Paket von vier Vorstössen. Neben jenen von Friedli und Gutjahr lagen auch zwei Motionen von FDP-Ständerat Josef Dittli (67) und FDP-Nationalrat Marcel Dobler (44) vor. Diese wollten noch einen Schritt weitergehen und verlangten, dass Franchisen (heute abgestuft zwischen 300 und 2500 Franken) wie auch Selbstbehalt (aktuell maximal 700 Franken) an die Prämienentwicklung gekoppelt werden.

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Baume-Schneider wollte alle vier Motionen vom Tisch wischen. «Eine Erhöhung der Kostenbeteiligung würde Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen und chronisch Kranke benachteiligen», argumentierte sie. Damit würde deren Zugang zur Gesundheitsversorgung eingeschränkt. «Durch den Aufschub von Behandlungen bestünde die Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert, was wiederum die Kosten ansteigen liesse», warnte sie ihre Kollegen vor den Folgen. Zudem sei die Kostenbeteiligung der Schweizer Versicherten im internationalen Vergleich schon heute hoch.

Finanzverwaltung und Seco opponierten

In der Ämterkonsultation gingen die Finanzverwaltung im Departement von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (60) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Departement von SVP-Magistrat Guy Parmelin (64) in Opposition zum Innendepartement. Statt viermal Nein sollte die Empfehlung viermal Ja lauten. «Die kostendämpfende Wirkung von Selbstbehalten ist erwiesen», monierte das Seco. Die Finanzverwaltung plädierte für eine stärkere Eigenverantwortung der Versicherten.

Da weitere Rückmeldungen aus den Departementen ausblieben, wertete dies das Innendepartement als Zustimmung. Und so lief Baume-Schneider ins Messer. Die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat liebäugelte mit Zustimmung zu allen vier Motionen. Am Schluss resultierte ein Kompromiss: Die Vorstösse der FDP-Männer wurden zu Ablehnung empfohlen, jene der SVP-Frauen zur Annahme.

Widerstand von links

Letztere könnten im Nationalrat durchaus Chancen haben. FDP-Mann Dobler hofft, dass auch der von ihm geforderte Automatismus durchkommt. «Ich lasse offen, ob nur die Franchise, der Selbstbehalt oder beides angepasst werden soll, das gibt mehr Spielraum», sagt er. «Es braucht auf breiter Front Massnahmen, um die Kosten zu senken. Eine höhere Kostenbeteiligung ist ein wichtiger Teil davon.»

Widerstand von links ist aber programmiert. «Bei den Gesundheitskosten wird kein Rappen eingespart, stattdessen werden einfach chronisch Kranke, Armutsbetroffene und ältere Menschen stärker belastet», so SP-Co-Chefin Mattea Meyer (36). Sollten die Vorstösse dereinst in Gesetzesform gegossen werden, ist für sie klar: «Dann prüfen wir ernsthaft ein Referendum.»

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