Im Dezember 1947 hatten sich im Munitionslager der Schweizer Armee in der Gemeinde Kandergrund BE grosse Explosionen ereignet. Das Depot stürzte teilweise ein, mehrere Menschen starben, Dutzende Häuser wurden zerstört und es blieben einige Hundert Tonnen Sprengstoff in den Trümmern zurück.
GLP-Nationalrat Jürg Grossen (53) brachte in einem emotionalen Votum seine persönliche Betroffenheit zum Ausdruck: «Meine Schwiegermutter stand als dreijähriges Mädchen barfuss im Nachthemd vor dem brennenden Haus im Schnee, während Verwandte im Inferno ums Leben kamen.» Es seien «eine ganze Menge von Fehlern und Mängeln» passiert. Nur die komplette Räumung bringe eine sichere Zukunft für Mitholz.
Altlasten verursachen Milliarden-Kosten
2018 kam ein neuer Bericht des Verteidigungsdepartements zum Schluss, dass das Munitionslager aufgrund weiterhin hoher Risiken geräumt werden müsse. Der Bundesrat beantragte einen Verpflichtungskredit im Umfang von 2,59 Milliarden Franken für die Arbeiten, einschliesslich Sicherheitsmarge wegen Unsicherheiten.
Die Mehrheit des Nationalrats stellt sich hinter die Vorlage. Mit 180 zu 5 Stimmen bei 8 Enthaltungen stimmte die grosse Kammer dem entsprechenden Bundesbeschluss zu.
SVP wollte neue Lagebeurteilung
Die Sicherheitspolitische Kommission (SIK-N) hatte das Geschäft Anfang Jahr zunächst für weitere Abklärungen sistiert und damit Verunsicherung ausgelöst. Mehrere Experten hätten mit einem Zusatzbericht die offen gebliebenen Fragen klären können, sagte Kommissionssprecherin Melanie Mettler (45, GLP).
Ein Teil der SVP wollte das Geschäft dennoch an den Bundesrat zurückweisen - mit dem Auftrag, eine neue Lagebeurteilung vorzunehmen. Jean-Luc Addor (59) wandte sich an die Bevölkerung von Mitholz: «Die Frage ist nicht, ob gehandelt werden muss, sondern wie und zu welchem Preis.» Nicht alle Experten erachteten eine vollständige Räumung als alternativlos.
Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) gab zu bedenken, dass zusätzliche Abklärungen in Form von weiteren Sondiergrabungen bereits sind in Gang seien. Die SVP-Minderheit scheiterte schliesslich mit 167 zu 22 Stimmen bei einer Enthaltung.
SP und Grüne wollten Armee zur Kasse bitten
SP und Grüne beantragten erfolglos, dass die Ausgaben für die Räumung vollumfänglich in den künftigen Verteidigungsbudgets kompensiert werden sollten. Der Nationalrat war anderer Meinung und lehnte den Antrag mit 124 zu 67 Stimmen bei einer Enthaltung ab.
Gemäss Botschaft des Bundesrats erfolgt das Gros der Finanzierung - rund 1,4 Milliarden Franken - über bereits verbuchte Rückstellungen im Verteidigungsdepartement und belastet die Schuldenbremse deshalb nicht.
Der Verpflichtungskredit enthält überdies Reserven von 760 Millionen Franken für Projektrisiken und die erwartete Teuerung. Daneben gibt es weiterhin Unsicherheiten zur genauen Lage, zum Zustand sowie zur Menge der Munitionsrückstände und den anspruchsvollen geologischen und hydrologischen Verhältnissen.
Risiken für Mensch und Umwelt beseitigen
Die Grüne Marionna Schlatter (42) sprach von einem Jahrhundertprojekt. «Es bleibt uns leider nichts anderes übrig, als diese Bombe zu entschärfen.» Heinz Siegenthaler (67, Mitte) hielt fest: «Die Menschen in der betroffenen Region haben ein Anrecht darauf, dass die Gefahr gründlich und nachhaltig beseitigt wird.»
Das über 25 Jahre laufende Projekt soll die Gefahr von weiteren Explosionen im ehemaligen Bahnstollen und im Schuttkegel vor der Anlage beseitigen. Zudem sieht es eine umfassende Räumung der Sprengstoffrückstände, Schwermetalle und Brandrückstände im gesamten von der Explosion 1947 betroffenen Gebiet vor.
Darüber hinaus werden ein Schutztunnel für die Nationalstrasse und eine Galerie für die Bahnstrecke gebaut. Hinzu kommen Massnahmen, mit denen die Infrastruktur vor Naturgefahren wie Lawinen, Hochwasser, Murgängen oder Steinschlag geschützt werden. Diese Massnahmen werden nach dem Abschluss der Räumung bestehen bleiben.
Die ersten Bewohner von Mitholz müssten wegen der Arbeiten bereits 2025 wegziehen und spätestens 2030 ist es für die übrigen soweit. Betroffen vom Wegzug sind rund fünfzig Personen im Sicherheitsperimeter.(SDA)