«Ich habe Nein gesagt, er hat trotzdem weitergemacht»
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Umfrage zu sexueller Gewalt:«Ich habe Nein gesagt, er hat trotzdem weitergemacht»

Mildere Regel
Bundesrat will nur «Nein heisst Nein»-Prinzip beim Sex

Der Bundesrat unterstützt die Bestrebungen des Parlaments, Vergewaltigung im Strafrecht breiter zu definieren. Doch die Zustimmungslösung geht der Regierung zu weit. Die Linken sind enttäuscht.
Publiziert: 13.04.2022 um 15:25 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2022 um 19:32 Uhr
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SP-Nationalrätin Tamara Funiciello setzt sich für das «Ja heisst Ja»-Prinzip im Sexualstrafrecht ein.
Foto: Keystone

Auch der Bundesrat spricht sich dafür aus, den Tatbestand der Vergewaltigung im Strafgesetz breiter zu definieren. Neu soll Nötigung keine Voraussetzung mehr sein. Stattdessen soll neu der Grundsatz «Nein heisst Nein» gelten: Strafbar macht sich, wer gegen den Willen des Opfers handelt.

Damit schliesst sich die Landesregierung der Rechtskommission des Ständerats (RK-S) an, wie sie am Mittwoch mitteilte. Die Kommission hatte die Strafrahmenharmonisierung auf Antrag von Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) aufgeteilt und das Sexualstrafrecht separat behandelt.

Der Tatbestand der Vergewaltigung umfasst gemäss der Revision neu alle Fälle, in denen ein Täter oder eine Täterin vorsätzlich gegen den verbal oder nonverbal geäusserten Willen des Opfers handelt. Damit soll also eine Widerspruchslösung gelten.

Strafe auch ohne Nötigung möglich

Es genügt, dass der Willen des Opfers missachtet wird. So wird eine Bestrafung auch ohne Nötigung durch Gewalt oder Drohungen möglich. Der Grundsatz «Nein heisst Nein» soll zudem auch für den neuen Tatbestand des sexuellen Übergriffs und der sexuellen Nötigung gelten.

Die Zustimmungslösung – auch «Ja heisst Ja»-Prinzip genannt – wurde bereits von der Kommission abgelehnt. Für den Bundesrat ist die Revision des Sexualstrafrechts eine Anpassung an die gesellschaftliche Entwicklung. Die Tatsache, dass für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung gemäss aktuellem Gesetzestext zwingend eine Nötigung des Opfers vorliegen muss, sei gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert.

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SP-Frauen sind enttäuscht

Den SP-Frauen geht der Beschluss des Bundesrats zu wenig weit. Die geforderte «Nein heisst Nein»-Lösung enthalte zwar einige Verbesserungen gegenüber der aktuellen Gesetzeslage, sie schütze die sexuelle Selbstbestimmung aber ungenügend. Es brauche endlich den weiterreichenden Grundsatz «Nur Ja heisst Ja».

Nach diesem Prinzip soll eine Vergewaltigung nicht bloss das Eindringen in einen anderen Körper sein, das gegen den Willen dieser Person stattfindet. Sondern als Vergewaltigung soll bereits gelten, wenn das Eindringen ohne Einwilligung vollzogen wird. Die Zustimmung kann mit Worten erfolgen oder durch ein Verhalten, das eindeutig als Ja zu verstehen ist.

Auch die Grünen machen sich für diese Lösung stark. Die nun eingeschlagene Richtung stimme, doch der Bundesrat bleibe – genau wie die Rechtskommission – auf halbem Weg stehen, kritisiert die Partei. Für die Grünen steht fest: «Sex braucht die Zustimmung aller Beteiligten – sonst ist es Gewalt».

Dieser Ansicht sind auch grosse Teile der Bevölkerung, wie eine Umfrage im Auftrag von Amnesty International Schweiz ergeben hat. 45 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz sprechen sich demnach für die «Ja heisst Ja»-Lösung aus – und nur 27 Prozent für «Nein heisst Nein».

Ist eine Beweislast-Umkehr die Folge?

Unter Fachpersonen ist das «Ja heisst Ja»-Prinzip, für das sich SP, Grüne, GLP und EVP stark machen, umstritten. Organisationen, die Opfer sexuellen Missbrauchs beraten, setzen sich für die Zustimmungslösung ein. Ein wichtiges Argument ist das sogenannte «Freeze»-Phänomen, das wissenschaftlich belegt ist: Viele Opfer sexueller Gewalt erstarren während der Tat und können sich nicht wehren. Schon nur Nein zu sagen ist dann nicht mehr möglich.

Der Schweizerische Anwaltsverband hingegen geht schon das «Nein heisst Nein»-Prinzip zu weit, wie er in der Vernehmlassung klarmachte. Die Anwälte sind der Meinung, dass das Prinzip der Unschuldsvermutung geritzt würde – ein Kritikpunkt, den auch mehrere Kantone vorbrachten.

Juristinnen und Juristen widersprechen

Diese Sorge ist laut Juristinnen und Juristen der Uni Bern allerdings unbegründet. «Der Staat muss nach wie vor beweisen, dass der Täter oder die Täterin den entgegenstehenden Willen beziehungsweise die fehlende Zustimmung des Opfers kannte und trotzdem eine sexuelle Handlung vornahm», hielten sie 2021 in einer Stellungnahme fest.

Auch die Stadt Zürich betonte das in einer gemeinsamen Stellungnahme der Gleichstellungs-Fachstelle und des Sicherheitsdepartements. Nach wie vor müsse der Staat der beschuldigten Person ihre Schuld nachweisen und nicht letztere ihre Unschuld. Das Problem der Beweisbarkeit von Sexualdelikten bleibe auch bei der «Nein heisst Nein»- oder «Ja heisst Ja»-Lösung bestehen. Machten sowohl das Opfer als auch der Täter oder die Täterin glaubhafte Aussagen und seien keine weiteren objektiven Anhaltspunkte vorhanden, werde es auch in Zukunft regelmässig Freisprüche geben. Denn noch immer gilt das Prinzip: Im Zweifel für den Angeklagten. (SDA/dba/lha)

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