Terror-Alarm im Tessin! Eine 28-jährige Schweizerin attackierte am Dienstagnachmittag in der Manor-Filiale an der Piazza Dante in Lugano zwei Frauen. Einer schnitt sie die Kehle auf, die andere würgte sie. Ein terroristischer Hintergrund wird nicht ausgeschlossen. Die Täterin war den Behörden bereits aus einer polizeilichen Untersuchung von 2017 mit Bezug auf dschihadistischen Terrorismus bekannt.
Schon länger stufen die Behörden die Terrorgefahr auch für die Schweiz als erhöht ein. «Die Frage war nie, ob es auch bei uns zu Attacken kommen kann, sondern wann», sagt André Duvillard (60). Als Delegierter des Sicherheitsverbunds Schweiz koordiniert er die Tätigkeiten von Bund und Kantonen im Bereich der Prävention der Radikalisierung: «Wir müssen davon ausgehen, dass die Attacke von Lugano nicht der letzte Fall war.»
Rund 60 Gefährder im Land
Nur einen Tag nach der Attacke fand die Fachtagung im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP) statt. Ein Zufall. «Der Fall aber zeigt, dass eine latente Gefahr besteht», ist Duvillard überzeugt. Mehr als 100 Expertinnen und Experten von Bund, Kantonen und aus dem Ausland nahmen an der virtuellen Tagung teil. Thema: die verschiedenen Formen von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus.
Der Nachrichtendienst geht von rund 60 radikalisierten Personen aus, welche in der Schweiz die innere Sicherheit gefährden. Weitere 600 Personen werden als «auffällig» eingestuft. «Wie die mutmassliche Täterin von Lugano müssten die rund 60 Gefährder eigentlich 24 Stunden am Tag überwacht werden», sagt Duvillard. «Das ist aber schlicht nicht möglich. Es gibt keine perfekte Lösung.»
Präventive Massnahmen beschlossen
Um das Risiko aber zumindest möglich klein zu halten, versuchen die Behörden auf allen Ebenen vorzugehen, von der Prävention über Repression bis hin zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Die Massnahmen sind aufwendig. Doch dass sie zum Erfolg führen können, zeigt Duvillard anhand des Beispiels eines Syrien-Rückkehrers in Genf. Nach mehreren Monaten in Haft habe er nun eine Lehrstelle und sei «auf gutem Weg».
An der Fachtagung vom Mittwoch sei aufgezeigt worden: Sind die Betroffenen selber bemüht, liege die Erfolgsquote einer Reintegration bei einem hohen Prozentsatz. «Verweigern sich Radikalisierte aber, dann ist die Erfolgsquote sehr tief», so Duvillard. Hier würden teilweise nur präventive polizeiliche Massnahmen helfen. Solchen – es geht beispielsweise um Kontakt- oder Rayonverbote – hat das Parlament erst kürzlich zugestimmt. Kommt das Referendum zustande, könnte es bald zur Volksabstimmung darüber kommen.
«Es bleibt immer ein Restrisiko»
Duvillard macht zudem weiteres Verbesserungspotenzial aus. So sei die Zusammenarbeit zwischen Polizei und weiteren Akteuren beispielsweise im Sozialbereich oder im Strafvollzug weiter auszubauen. Die Koordination zwischen den einzelnen Behörden wurde bereits verbessert, muss aber noch weiter verstärkt werden. «Auch das private Umfeld sollte allfällige Auffälligkeiten möglichst frühzeitig melden», ergänzt Duvillard. «Denn eines ist klar: Es bleibt immer ein Restrisiko.»