Vor einem Jahr verkündete ein strahlender Gesundheitsminister Alain Berset (50) sinkende Krankenkassenprämien. Jetzt folgt die Ernüchterung: 2023 werden die Prämien für die obligatorische Grundversicherung in allen Kantonen deutlich steigen – im Schnitt um 6,6 Prozent. Am stärksten mit 9,5 Prozent im Kanton Neuenburg, am wenigsten in Basel-Stadt mit 3,9 Prozent.
Die mittlere Monatsprämie beträgt durchschnittlich 334.70 Franken – knapp 21 Franken mehr als jetzt. Erwachsene zahlen im Schnitt 397.20 Franken, junge Erwachsene von bis 25 Jahre 279.90 Franken und für Kinder werden im Monat 105 Franken fällig.
Eine mehrjährige Phase der Stabilität sei vorbei, sagte Berset vor den Medien in Bern. In den letzten fünf Jahren sei der Anstieg mit durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr schwach gewesen.
In der Zwischenzeit haben die Krankenkassen ihre teils überhöhten Reserven weiter reduziert. Und sie sinken weiter von 12 Milliarden Franken Anfang Jahr auf prognostizierte 9,5 Milliarden Franken bis Ende Jahr. Mit dem Anzapfen der Reserven kann die Prämienexplosion etwas gedämpft werden.
Corona-Pandemie als Kostentreiber
Zum Prämiensprung kommts, weil die Gesundheitskosten stark gestiegen sind. Alleine 2021 um 4,5 Prozent – und dieser Trend setzte sich im ersten Halbjahr 2022 fort. «Die Prämien müssen die Gesundheitskosten decken», erklärt Berset.
Der Bund wurde vom raschen Kostenanstieg überrascht. «Der Kostentreiber für dieses Jahr ist ganz klar die Pandemie», so Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit.
Einerseits verursachte die Pandemie direkte Kosten – etwa wegen der vielen Hospitalisierungen oder der Impfungen. Andererseits auch indirekte Kosten, weil medizinische Eingriffe verschoben wurden, die seither nachgeholt werden. Gerade im ambulanten Bereich gebe es eine starke Kostensteigerung, sagte Berset. Offenbar gebe es Behandlungen und Arztbesuche, welche verzögert nachgeholt worden seien.
Mehr Geld für Prämenverbilligung
Angesichts von Teuerung, steigenden Energiepreisen und höheren Krankenkassenprämien macht sich Berset Sorgen um die Bevölkerung. Insbesondere für tiefere und mittlere Einkommen sei die Last zunehmend schwierig zu schultern.
Für eine gewisse Entlastung sorgen die Prämienverbilligungen. Der Bund schiesst jeweils 7,5 Prozent der Brutto-Gesundheitskosten ein – für 2023 sind es «mehr als 3 Milliarden Franken», so Berset. 170 Millionen mehr als noch dieses Jahr. Er mahnte dabei auch die Kantone, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Prämienverbilligung aufzustocken. Eine entsprechende Vorlage ist im Parlament hängig.
Der Gesundheitsminister will aber auch die übrigen Player im Gesundheitswesen in die Pflicht nehmen. Weitere Kostendämpfungsmassnahmen seien nötig. Tatsächlich hat der Bundesrat gerade erst neue Vorschläge ins Parlament gebracht. Dazu gehören etwa sogenannte Preismodelle – gesetzlich verankerte Vereinbarungen, die einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu innovativen, teuren Arzneimitteln und Therapien ermöglichen sollen. Auch die Koordination über die ganze Versorgungskette soll verbessert werden.
Weitere vom Bundesrat vorgeschlagene Massnahmen sind die differenzierte Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit von Medikamenten, die elektronische Rechnungsübermittlung, faire Referenztarife für eine freie Spitalwahl sowie eine neue Regelung der Apothekenleistungen. Nun ist das Parlament am Zug.
Dass es noch zahlreiche Sparoptionen gibt, zeigt auch Preisüberwacher Stefan Meierhans (54) auf. Gegenüber Blick skizziert er verschiedene Massnahmen, mit welchen der Bundesrat mehr als 1,6 Milliarden Franken im Jahr sparen könnte.