Heute Dienstag gibt Gesundheitsminister Alain Berset (50) bekannt, wie stark die Krankenkassenprämien steigen. Gerechnet wird mit einem Kostensprung von zehn Prozent.
Schon wieder steigen also die Prämien. Dabei kann schon heute rund ein Drittel der Bevölkerung diese nicht mehr selbst bezahlen. Der SP-Bundesrat weist die Schuld dafür von sich: Ohne das Parlament sei nicht viel mehr möglich, sagte er kürzlich. Gewisse Vorschläge seien dort seit Jahren hängig.
Spareffekt 1,6 Milliarden – im Jahr!
Dem widerspricht Preisüberwacher Stefan Meierhans (54). Für ihn gibt es durchaus griffige Massnahmen, die in der Hand des Bundesrats lägen. Mit fünf Massnahmen könnte man mehr als 1,6 Milliarden Franken im Jahr sparen, so der Preisüberwacher.
So hat er schon vor zwölf Jahren gefordert, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) solle bei den Medikamenten die Vertriebsmargen senken. Damit würden die Fehlanreize reduziert, die zur Abgabe von teuren Medikamenten führen. Das Sparpotenzial aus Sicht von Meierhans: jährlich 400 Millionen. Das wären inzwischen 4,8 Milliarden Franken gewesen, die man nicht hätte berappen müssen.
Fallpauschalen senken
Soll ein Medikament neu von der Kasse vergütet werden, wird sein Preis mit den Preisen in neun der Schweiz ähnlichen Ländern verglichen, und auch ein therapeutischer Quervergleich wird vorgenommen. Zudem wird jährlich ein Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente in gleicher Weise überprüft. Doch diese Überprüfung müsste laut Preisüberwacher längst verbessert werden. Denn statt aus dem Auslandspreisvergleich und dem Quervergleich den Durchschnitt zu nehmen, sollte laut ihm der tiefere der beiden Werte herangezogen werden. Ersparnis pro Jahr: 400 Millionen Franken.
Seit 2012 werden für den Spitalaufenthalt Fallpauschalen berechnet. Regelmässig spricht sich Meierhans dafür aus, den Preis bei etwa 9200 Franken festzulegen. Das entspricht den Kosten in einem der günstigsten Spitäler. Einst wollte das BAG dem Preisüberwacher hier entgegenkommen. Seit Februar 2020 ist es aber still geworden um das Thema. Dabei lägen auch hier jährliche Einsparungen von einer halben Milliarde Franken drin.
Falsche Anreize streichen
Unser Krankenversicherungssystem setze falsche Anreize, findet der Sparfuchs der Nation. Privatversicherte seien derart lukrativ für die Spitäler, dass fragliche, allenfalls gar schädliche Behandlungen durchgeführt würden. Darum möchte die Preisüberwachung die Preise der Spitäler für die Behandlung von Zusatzversicherten senken. Eigentlich wollte der Bundesrat, dass der Preisüberwacher die Finanzmarktaufsicht (Finma) unterstützt. Auf das dafür notwendige Personal wartet man aber bis heute. Sparpotenzial: 200 Millionen Franken jährlich.
Ein ständiger Aufreger sind zudem die Laborpreise. Doch auch bei den Labortarifen, beispielsweise für Corona-Tests, schlägt der Bundesrat die Empfehlungen des Preisüberwachers in den Wind. 100 Millionen im Jahr könnten laut Meierhans auch hier eingespart werden.
Wenigstens für 2023 handeln
«Der Bundesrat macht es sich zu einfach, wenn er dem Parlament die alleinige politische Verantwortung für die hohen Gesundheitskosten zuschiebt», so Meierhans. Mit den fünf Vorschlägen, die seine Stelle und auch andere Experten machten, würden sich rasch 1,6 Milliarden Franken im Jahr einsparen lassen. «Das sind viereinhalb Prozent der Kosten, die die obligatorische Krankenversicherung 2020 tragen musste!»
Jetzt steigen laut Medienberichten die Krankenkassenprämien im Schnitt um zehn Prozent. «Hätte der Bundesrat gehandelt, bräuchte es heute keinen so starken Prämienanstieg.» Der Preisüberwacher erwartet, dass der Bundesrat endlich handelt und einen ähnlichen Prämiensprung im Herbst 2023 verhindert.