Wenn ein europäisches Stromunternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geriete, könnte es in Europa zu einer Kettenreaktion kommen. Aus diesem Grund greifen Deutschland und Frankreich zu Schutzmassnahmen.
Am Mittwoch machte auch der Bundesrat seine Ankündigung wahr: Er spannt einen Schutzschirm über die systemkritischen Energieunternehmen. Betroffen sind vorerst nur die Stromfirmen Axpo, Alpiq und BKW.
«Wenn alle Stricke reissen»
Sollte ein Unternehmen aus diesem Trio in eine akute Notlage geraten und innert Stunden Milliarden brauchen, will der Bund zur Stelle sein. Dies, weil die Kantone es nicht schaffen, so schnell Milliarden auf den Tisch zu legen. Für diese «Versicherung» sollen die Stromfirmen 10 bis 20 Millionen Franken jährlich bezahlen.
Die Bundeshilfe ist jedoch subsidiär. Nur «wenn alle Stricke reissen», wie sich Finanzminister Ueli Maurer (71) vor den Medien ausdrückte, wirft der Bund den Rettungsring. Zuerst müssen die Banken und Kantone um Hilfe angefragt werden.
Parlament lässt sich Zeit
Laut Stromministerin Simonetta Sommaruga (62) ist das Auf und Ab an den Energiehandelsplätzen seit dem Ausbruch des Angriffskriegs auf die Ukraine gross. Und auch die Gefahr ist enorm, dass die «Verwerfungen auf die Schweiz überschwappen», wie die Bundesrätin erklärte.
Bis zu 10 Milliarden Franken will die Landesregierung im Bundestresor für den Schutzschirm bereitstellen. Wäre es nach der Regierung gegangen, hätte das Parlament das Rettungsschirm-Gesetz noch vor den Sommerferien beschlossen.
National- und Ständerat lassen sich aber Zeit damit. Wie Sommaruga deutlich machte, hätte es das Parlament daher selbst zu verantworten, wenn der Bundesrat im Sommer zu Notrecht greifen müsste, sollte ein Stromunternehmen in Schwierigkeiten geraten.
Regeln fürs schelle Geld
Immerhin ist mit dem bundesrätlichen Gesetzesentwurf schon heute klar, was die Bedingungen fürs schnelle Geld in heiklen Phasen sind. Die Landesregierung verzichtet zwar auf weitreichende Offenlegungspflichten und operationelle Mitsprache bei den Darlehensnehmern. Und sie hat den Risikozuschlag auf vier und zehn Prozent gesenkt. Anfangs hatte der Bundesrat noch einen Zuschlag von 20 bis 30 Prozent auf den Darlehensbetrag draufschlagen wollen.
Der Plan für den Rettungsschirm wurde geboren, nachdem die Energiefirma Alpiq vor Weihnachten beim Bund um eine kurzfristige Finanzhilfe über 1,4 Milliarden Franken gebettelt hatte. Es war da klar geworden, dass es einerseits Regeln für Hilfe in so einem Fall braucht und andererseits das schnelle Geld bereitgestellt werden muss.
Gas-Reserve für den Winter
Der Bundesrat hat am Mittwoch nicht nur den Schutzschirm für die Energiefirmen beschlossen, sondern auch bestimmt, wie die Gasbranche für den Winter und den Fall vorsorgen muss, dass kein russisches Gas mehr in die Schweiz geliefert wird.
Die Branche hat nun eine Gas-Reserve in der Höhe von 15 Prozent des Schweizer Jahresverbrauchs anzulegen. Zudem hat die Regierung bestimmt, dass sich die Branche zusätzlich zur ordentlichen Beschaffung von Gas weitere 6 Terawattstunden in Form von Optionen für nicht-russisches Gas in Frankreich, Deutschland, Italien und den Niederlanden sichern muss.