Taskforce eingesetzt: Bundesrat will Energie verbilligen
Treibstoff-Vergünstigung wird bereits heftig diskutiert

Die Tankstellen im Tessin verzeichnen einen drastischen Einbruch. Denn Kunden tanken ennet der Grenze, seit der italienische Staat den Sprit verbilligt. Schweizer Mieter zittern vor den Nebenkosten, da die Energiepreise aus dem Lot sind. Jetzt handelt der Bundesrat.
Publiziert: 03.05.2022 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2022 um 06:30 Uhr
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Nicht nur das Tanken ist teurer geworden.
Foto: imago images/Manngold
Pascal Tischhauser, Sophie Reinhardt, Daniel Ballmer und Ruedi Studer

Der Bundesrat reagiert auf die stark gestiegenen Energiepreise. Wie Blick weiss, hat er eine Taskforce aus Experten des Wirtschaftsdepartements (WBF) von Guy Parmelin (62), des Finanzdepartements (EFD) von Ueli Maurer (71) und des Energiedepartements (Uvek) von Simonetta Sommaruga (61) eingesetzt. Sie analysiert die Auswirkungen der hohen Sprit-, Strom- und Heizkosten. Die Taskforce nimmt die Stützungsmassnahmen unserer Nachbarländer unter die Lupe und arbeitet an Vorschlägen für Interventionen durch die Landesregierung.

Auf Anfrage bestätigt das Wirtschaftsdepartement die Taskforce: «Der Bundesrat ist sich der Herausforderungen rund um die gestiegenen Energie- und Treibstoffpreise bewusst.» Da die Preise derzeit starken Veränderungen unterworfen sind, sei eine «interdepartementale Arbeitsgruppe der betroffenen Departemente Uvek, WBF und EFD gebildet» worden.

Blick ins Ausland

Die Taskforce erarbeite Vorschläge für Hilfsmassnahmen, deren Finanzierung und Konsequenzen. Dabei werden nicht nur die in verschiedenen Parlamentsvorstössen verlangten Forderungen geprüft, wie WBF-Sprecher Urs Wiedmer bestätigt, sondern die Taskforce analysiert auch die Massnahmen der umliegenden Länder – und zwar jene, die Deutschland, Frankreich und Italien zur Spritvergünstigung bereits ergriffen haben, sowie diejenigen, die in der EU in Planung sind.

Dazu gehört auch das Vorhaben der EU, mit dem nächsten Sanktionspaket einen schrittweisen Ausstieg aus russischem Öl einzuleiten. Brüssel hatte das nächste Sanktionspaket für Ende Mai in Aussicht gestellt. So dürfte die Taskforce mit ihren Empfehlungen an den Bundesrat bis zu dessen Ausarbeitung zuwarten. Die Devise sei: Besser eine Woche länger warten und Nägel mit Köpfen machen, als husch, husch etwas zu verabschieden und dann nachbessern zu müssen, heisst es aus einem beteiligten Departement.

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Pandemie weckt Begehrlichkeiten

Klar ist: Die bundesrätlichen Massnahmen während der Pandemie haben Spuren hinterlassen. Nach all den Corona-Hilfen jetzt plötzlich nichts zu tun, würde die Bevölkerung nicht verstehen. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass der Bundesrat spätestens Anfang Juni Vergünstigungen für besonders Betroffene beschliesst.

Sorgen bereitet der Regierung vor allem die Situation im Tessin. Die Spritvergünstigung in Italien hat zu einem enormen Tanktourismus geführt. Auf Schweizer Seite verzeichnen die Tankstellen in der Folge enorme Einbussen. Bei den Tessiner Tankstellenbetreibern handle es sich oft um Kleinstunternehmen und nicht um grosse Ketten, die einen regional begrenzten Nachfrageeinbruch dank der Einnahmen aus den anderen Landesteilen abfedern könnten.

Parteien wie SVP und FDP fordern, hierzulande das Benzin zu vergünstigen. So könnte der Bund beispielsweise zwischenzeitlich auf die Mineralölsteuer verzichten, um den Sprit zu verbilligen. Linke Kreise sehen eher Handlungsbedarf bei den Mietnebenkosten. Die Mieter hätten ja kaum eine Wahl und müssten die höheren Heizkosten einfach berappen. All das schaut sich die Taskforce derzeit an.

Ergänzungsleistungen

Der SVP-Energieexperte Christian Imark (40) begrüsst die Arbeitsgruppe. «Zumindest hat der Bundesrat mittlerweile das Problem erkannt», sagt er. «Allerdings tönt die Bildung einer Taskforce nicht gerade nach Sofortmassnahmen.»

Völlig gegen die Spritvergünstigung sind die Ökoparteien. Stattdessen sollen teure Heizrechnungen bei den Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden, fordert beispielsweise Grünen-Fraktionschefin Aline Trede (38) mit Verweis auf eine Motion von Nationalrätin Manuela Weichelt-Picard (54).

Autofahrer können sparen

Und GLP-Chef Jürg Grossen (52) sagt: «Man sollte jetzt nicht in unnötigen Aktivismus verfallen. Flächendeckende staatliche Verbilligungen für Treib- und Brennstoffe lehne er ab. «Dank immer effizienteren Autos sparen Autofahrer ja schon seit Jahren. Zudem werden Arbeitspendler steuerlich begünstigt.» Wenn der Spritpreis an der Tankstelle zwischenzeitlich mal etwas höher liege, sollte man nicht gleich nach dem Staat rufen, meint er.

Auch aus der Bundesverwaltung heisst es, beim Autofahren sei man flexibler als beim Heizen. Man könne ja mit Kollegen ein Auto für den Arbeitsweg teilen oder halt auf den ÖV setzen. Für Mieter oder energieintensive Unternehmen sei die Lage schwieriger.

Gutscheine

Der Präsident der Grünliberalen findet es aber richtig, dass der Bundesrat die Lage genau analysiert. «Und sollte die Situation länger anhalten, kann es notwendig sein, dass der Bund besonders wenig Verdienende unterstützt», sagt auch Grossen. «Sollte es so weit kommen, fände ich die gezielte Vergabe von Gutscheinen geeigneter als Steuervergünstigungen», macht er klar.

Für Gutscheine spricht sich auch Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43) aus. Er spricht von Tankgutscheinen, insbesondere für Geringverdienende und den Mittelstand. Der Nationalrat befürwortet aber auch die Freigabe der Pflichtlager für Treib- und Brennstoffe. «Langfristig brauchen wir eine unabhängige Landesversorgung, das heisst, eine Unabhängigkeit von fossilen Energien», macht er klar. Doch für ihn muss der Bund erst mal rasch handeln: «Kurzfristig braucht es unbürokratische Massnahmen.»

Günstigere Krankenkasse

Kritisch sieht auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann (49) die Tankvergünstigungen. «Der grosse Stau an den Ostertagen am Gotthard zeigt, dass das Problem nicht allzu dringend ist», so der Romand. Wenn sich das Problem der steigenden Ölpreise verschärfe, könne er sich auch vergünstigte Krankenkassenprämien für den unteren Mittelstand und ärmere Haushalte vorstellen oder als Geste einen Zuschlag ans ÖV-Ticket, so Nordmann.

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