«Ein Angebot, Konkordanz zu leben»
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Grüner Bundesratskandidat:«Ein Angebot, Konkordanz zu leben»

Bundesratskandidatur von Gerhard Andrey (47)
So tickt der grüne Winkelried, der die FDP angreift

Der Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey soll der erste Bundesrat der Grünen werden. Die Grüne Fraktion bestätigte am Freitag offiziell seine Bundesratskandidatur. Doch seine Chancen bleiben – wenn überhaupt — gering.
Publiziert: 10.11.2023 um 14:40 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2023 um 16:44 Uhr
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Der Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey möchte für die Grünen in den Bundesrat.
Foto: keystone-sda.ch
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Er war der Erste. Und blieb alleine. Gerhard Andrey (47), Freiburger Nationalrat, ist der einzige Grüne, der sich für den Bundesrats-Angriff seiner Partei zur Verfügung stellt. Die Grüne Fraktion bestätigte am Freitag offiziell seine Bundesratskandidatur. Der Entscheid sei einstimmig gefallen. Und Andrey sei ein kompetenter Kandidat, um dem Klima im Bundesrat Gehör zu verschaffen, hiess es.

Wer ist der Grünen-Winkelried, der eine Kampfkandidatur lanciert und der FDP einen Bundesratssitz streitig machen will, obwohl er kaum Chancen hat?

Aufgewachsen als Bauernsohn, absolvierte der zweisprachige Freiburger eine Schreinerlehre, wurde später Informatiker und ist heute IT-Unternehmer mit eigener Firma. Diese beschäftigt 220 Arbeitnehmende und generiert 23 Millionen Franken Umsatz pro Jahr.

Keine Spasskandidatur

Andrey ist verheiratet, Vater zweier Kinder (13 und 16) und wohnt in Granges-Paccot FR. Für seine Bundesratskandidatur hat er die Unterstützung seiner Familie. «Ich habe die Entscheidung auch von ihr abhängig gemacht. Es ist darum eine grosse Freude, dass sie hinter mir steht», sagt er über sein bevorstehendes Abenteuer.

Andrey gilt als pragmatischer Politiker, der über die Parteigrenzen hinweg respektiert ist. Er ist kein Hinterbänkler und verfügt mit seiner Vita durchaus über Bundesratsqualitäten. Und doch bleiben seine Chancen auf einen Sitz im Siebnergremium eben überschaubar.

Dieses Argument lässt Andrey allerdings nicht gelten. Er sagt: «Zu sagen, etwas sei unmöglich, ist eine gute Ausrede, um es nicht zu wagen.» Mit der Kandidatur wollen die Grünen ihren Anspruch verwirklichen. «Wir Grünen treten an, um einen Sitz zu machen.»

Besser vorankommen mit den Grünen

Für ihn ist klar: «Man hat uns Grüne jetzt Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, vertröstet.» Seine Partei habe bei den Wahlen das zweitbeste Resultat in ihrer Geschichte gemacht, die FDP hingegen weiter verloren. Mit 14 Prozent Wähleranteil habe sie nur Anspruch auf exakt einen Sitz, nicht zwei. Nun gebe es einen politischen und arithmetischen Anspruch auf einen grünen Sitz.

Die Gesamterneuerungswahl im Dezember biete den Bundesratsparteien darum die Chance, die Konkordanz ernst zu nehmen. «Ich trete nicht gegen eine Partei an, sondern für einen Teil der Stimmbevölkerung, der in der Regierung nicht vertreten ist», sagt Andrey.

Dort möchte er sich einsetzen für eine intakte Natur, ein solidarisches Zusammenleben und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Denn: Das seien die Grundlagen für ein gutes Leben – für die jetzige Generation und alle kommenden. Der Freiburger ist überzeugt: «Würde man die grünen Kräfte endlich in die Regierung einbinden, käme die Schweiz besser voran.»

Enge Zusammenarbeit mit FDP

Doch FDP und SVP machten bereits vergangene Woche klar: Sie wollen den Grünen-Herausforderer nicht einmal anhören. Andrey tut dies als politisches Geplänkel ab. Sagt aber auch: «Ich arbeite bestens mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Parteien zusammen, gerade mit der FDP.»

Tatsächlich: Mit dem St. Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler (43) etwa hat er die Neuauflage der E-ID entwickelt. Mit dem zurückgetretenen Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri (68) einen Vorstoss zu den eingefrorenen russischen Staatsgeldern durch den Nationalrat gepeitscht. Mit dem Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (61) hat er eine Swiss Green Investment Bank eingebracht.

Und mit der abtretenden Zürcher Freisinnigen Doris Fiala (66) initiierte der Digital-Experte die parlamentarische Gruppe Cyber. Deren Sinn und Zweck ist die Vernetzung von Politik, Industrie und Wirtschaft rund um das Thema Cybersicherheit.

«Das alles zeigt, dass ich gerne konstruktiv zusammenarbeite», sagt Andrey. Auch mit dem politischen Gegner.

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