Gerhard Andrey will in den Bundesrat
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Erster Kandidat für Grüne:Gerhard Andrey will in den Bundesrat

Letzter Flug, Rennvelo und sein Lieblings-Fussballteam
Grünen-Bundesratskandidat Gerhard Andrey ganz privat

Der grüne Freiburger Nationalrat und IT-Unternehmer Gerhard Andrey will in den Bundesrat. Welches Familienmitglied ihn politisch herausfordert und was er als Bauernsohn gelernt hat.
Publiziert: 01.11.2023 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 08:25 Uhr
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«Wir verliebten uns als Teenager vor 30 Jahren», sagt Christina Gräni. Wie der gelernte Schreiner Gerhard Andrey hat auch sie ein Flair für Möbel.
Foto: Kurt Reichenbach
Jessica Pfister
Schweizer Illustrierte

Der Spruch auf Gerhard Andreys Laptop passt perfekt zum Freiburger Nationalrat und seiner Familie. «Machen ist wie wollen, nur krasser.» Da wundert es nicht, wenn Tochter Anna (13), die von einer Fussballkarriere träumt, mitten in der Küche den Ball zu ihrem Bruder Basil (16) köpft.

Oder seine Frau Christina Gräni (45) die eine Grafikagentur führte, mit Anfang 40 bei der Programmierschule Powercoders für Migranten einsteigt. «Wir sind eine dynamische Familie», sagt Gerhard Andrey (47) und schmunzelt.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Kein Wunder also, wagt der Grüne Politiker nun den Schritt und kandidiert als Bundesrat. Das gab er am Dienstag vor den Medien in Freiburg bekannt. Dort wolle er sich für eine intakte Natur, ein solidarisches Zusammenleben und eine Kreislaufwirtschaft als Grundlage für ein gutes Leben der jetzigen und zukünftigen Generationen einsetzen.

Digitalisierung als Steckenpferd

Dynamisch trifft insbesondere auf seinen eigenen Lebenslauf zu: vom Bauernsohn zum Schreiner, zum Holzingenieur, zum Informatiker, zum Gründer einer Webagentur mit heute 220 Angestellten und 23 Millionen Franken Umsatz.

Seit 2019 sitzt Andrey zudem für die Grünen im Nationalrat, wo er als linker Unternehmer auch bei den Bürgerlichen punktet: «Mit Gerhard ist es möglich, sachlich zu diskutieren und überparteilich den kleinsten gemeinsamen Nenner für einen Kompromiss zu finden», sagt SVP-Nationalrat Lars Guggisberg.

Die Chronologie der gescheiterten Kandidaturen

Gerade in Sachen Digitalisierung – Andreys Steckenpferd – spannt er oft mit anderen zusammen. Etwa bei der Motion für eine «vertrauenswürdige staatliche E-ID», die er nach dem Nein des Volkes zum E-ID-Gesetz an den Bundesrat überweisen konnte.

Auch bei der Diskussion um die künstliche Intelligenz hat Andreys Meinung Gewicht. Der Politiker unterzeichnete dieselbe Petition wie Tech-Chef Elon Musk: Diese fordert einen sechsmonatigen Entwicklungsstopp für grosse KI-Projekte.

«Offensichtlich sind wir YB-Fans.» Gerhard Andrey mit Partnerin Christina Gräni, Tochter Anna (l.) und Sohn Basil zu Hause in Granges-Paccot FR.
Foto: Kurt Reichenbach

Am Familientisch der Andreys zu Hause im freiburgischen Granges-Paccot gleich am Röstigraben erzählt Sohn Basil im April vom Solarprojekt seiner Schule. «Geru und Basil reden fast immer über Politik», sagt Christina. «Ja, aber ich bin von uns allen am wenigsten weit links», erklärt der Sohn, der Arzt werden will. «Das ist doch gut. Da werde ich herausgefordert», sagt der Papa.

Andrey selber wird ebenfalls am Familientisch politisiert. Sein Vater sass einst für die CVP im Gemeinderat von Heitenried FR. «Obwohl traditionell, empfinde ich meine Eltern rückblickend als sehr progressiv», sagt Andrey.

Sein Vater sei einer der ersten Bauern gewesen, der die Gülle umweltfreundlich mit einem Schleppschlauch ausbrachte. Überhaupt habe er von zu Hause ein tief verankertes Naturverständnis mitbekommen. «Dass ich auf dem Hof mit anpacken musste, erdet mich noch heute», sagt Andrey.

Kein Vegetarier

So schnell er spricht, so rasant flitzt Andrey mit dem Velo («nebst der Familie mein grösster Ausgleich») von der Eigentumswohnung im Grünen zum Büro in der Freiburger Innenstadt.

Ein Auto besass die Familie nie, geflogen ist er das letzte Mal vor acht Jahren nach Griechenland («eine Ausnahme»), und einkaufen tut die Familie im Bio-Laden. «Wir essen auch Fleisch, als Bauernsohn weiss ich um die Unterschiede.»

«Grün und Unternehmer – das ist kein Widerspruch.» Die Webagentur Liip ist neben Freiburg in fünf weiteren Städten aktiv. Hier mit den Mitgründern Hannes Gassert, Nadja Perroulaz und Christian Stocker (v. l.).
Foto: Kurt Reichenbach

Mit Rennvelos auf den Gängen und einer Dartscheibe vor dem Sitzungszimmer verströmt das Büro der Webagentur Liip auch 17 Jahre nach Gründung einen hippen Jungunternehmergroove. «Aber bitte schreiben Sie nicht Google-Groove, wir ticken anders», mahnt Andrey. Mitgründer Hannes Gassert lacht.

Auf die Frage, was Andrey als Kollegen ausmacht, sagt er: «Geru lehrt uns: Schneller handeln ist oftmals besser.»

Die beiden lernen sich vor 22 Jahren kennen, als Andrey von seinem Diplompraktikum als Holzingenieur in Costa Rica zurückkommt. «Hannes war ein talentierter Programmierer, ich hatte den schnellsten Internetanschluss in der Stadt – der Rest ist Geschichte», erzählt Andrey.

Who is who der Wirtschaft

Was mit Websites für kleine Unternehmen anfängt, entwickelt sich mit Applikationen für die Postfinance oder die Nationalbank zu einer grossen Sache. «Wir gehörten zu den Pionieren, das war exciting», sagt Andrey.

Aufregend ist damals auch das Ziel von Liip, Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und soziale Bedürfnisse in Einklang zu bringen. «Für unsere vier Wochen Vaterschaftsurlaub wurden wir anfangs ebenso belächelt wie für die CO2-Bilanz», sagt Andrey.

Doch die Rechnung geht auf. Heute gehört das Who’s who der Wirtschaft zu ihren Kunden – auch weil Andrey und seine Kolleginnen und Kollegen gewisse Aufträge, die nicht zu ihrer Philosophie passen, ablehnen.

Andrey flitzt auf dem Velo nicht nur durch Freiburg. «Früher legte ich bis zu 4000 Kilometer im Sattel zurück. Dazu fehlt heute die Zeit.»
Foto: Kurt Reichenbach

Mitgestalten und nicht zusehen – das fordert der Politiker auch bei der Digitalisierung. «Die Schweiz übernimmt EU-Recht – statt am Verhandlungstisch zu sitzen.»

Bei der künstlichen Intelligenz sei nun schnelles Handeln gefragt. «Wenn wir zum Verantwortungsstandort der KI werden, wäre das für uns ein Wettbewerbsvorteil», ist Andrey überzeugt. Dazu brauche es Transparenz, aber auch Sanktionen für die Tech-Giganten, falls nötig.

«Ich spiele nicht den Internetpolizisten»

Selber nutzt er KI-Programme wie ChatGPT als Werkzeug für Recherchen und Ideen. «Ich bin froh, redet man endlich über das Thema, denn die künstliche Intelligenz ist schon lange da.» Etwa in den sozialen Medien.

Natürlich diskutiere er auch mit seinen Kindern über die unzureichende Sicherheit bei Tiktok und Co. «Ich spiele aber nicht den Internetpolizisten.»

Kürzlich habe Basil sein Handy aus freien Stücken für drei Tage abgegeben. Ganz nach dem Familiencredo: «Machen ist wie wollen, nur krasser.»

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