Dieses Mal wollten sie alles besser machen. Die Grünen wollten aus gescheiterten Bundesratskandidaturen in der Vergangenheit lernen. Alles sollte professioneller werden. Strategischer. Erfolgreicher.
Am Freitag, 12 Uhr, ist die Bewerbungsfrist für den neusten Anlauf abgelaufen. Und spätestens jetzt zeigt sich: Es ist den Grünen wieder nicht gelungen.
Absage nach Absage
Dabei hat die Öko-Partei den erhofften Coup von langer Hand vorbereitet. Mit 60 valablen Personen hatte die Findungskommission gesprochen, 20 potenzielle Kandidierende landeten auf der parteiinternen «Shortlist». Alles, um der FDP endlich einen ihrer beiden Bundesratssitze abzujagen.
Doch die deftige Schlappe bei den Parlamentswahlen hat den Grünen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Bei ihrem historischen Sieg 2019 hatten sie das Momentum noch wegen langem Zögern verpasst. Dieses Mal war es gar nicht erst auf ihrer Seite.
Und so folgte aus den eigenen Reihen Absage auf Absage. Übrig geblieben ist ein Einziger, der sich als Winkelried für die Partei opfert – wohlwissend, dass er bei den Bundesratswahlen am 13. Dezember keine Chance haben wird: der Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey (47).
Halbherziger Angriff
Er ist der richtige Mann zum falschen Zeitpunkt. Andrey ist kein Hinterbänkler und verfügt durchaus über Bundesratsqualitäten. Aufgewachsen als Bauernsohn, absolvierte der zweisprachige Freiburger eine Schreinerlehre und wurde später Informatiker. Heute ist er IT-Unternehmer mit eigener Firma, die über 200 Mitarbeitende an sechs Schweizer Standorten beschäftigt. Andrey gilt als pragmatischer Politiker, der über die Parteigrenzen hinweg respektiert ist. Doch sitzt er gerade einmal vier Jahre im Nationalrat. Es steht fest: Ein politisches Schwergewicht sieht anders aus.
Das kollektive Aufatmen parteiintern war trotzdem gross, als Andrey am Dienstag seine Kandidatur bekannt gab. Nun könne man sich ja den «Aufwand» einer eigenen Kandidatur sparen, war hinter vorgehaltener Hand zu hören. Statt dass die Partei der Bundesversammlung und der Öffentlichkeit eine Auswahl präsentiert, verkrochen sich die vielversprechendsten Köpfe im Schneckenloch. Der Glarner Ständerat Mathias Zopfi (39), die St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser (32) oder der Zürcher Bastien Girod (42): Sie sind sich offensichtlich zu schade, sich für das aussichtslose Vorhaben zu opfern.
«Bad karma»
Eine Blamage für eine Partei, die sich seit Monaten für den Angriff auf die FDP in Stellung bringt und immer betont hat, wie viel gutes Personal man im Köcher habe. Auch die Kommunikation der Grünen wirkte in den vergangenen Tagen alles andere als professionell. Eine Medienkonferenz stand in Aussicht, von der dann aber plötzlich niemand mehr etwas wusste, und wurde schliesslich verschoben, weil wegen des Lichtspiels «Rendez-vous Bundesplatz» im Bundeshaus sämtliche Lichter gelöscht werden mussten. Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61) konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen und spottete auf X: «Bad karma».
Bei den anderen Parteien schüttelt man den Kopf über die Bundesrats-Taktik der Grünen. Während bei der SP die Kandidierenden Schlange stehen, können die Grünen mit Ach und Krach jemanden dazu bewegen, seinen Hut in den Ring zu werfen. Natürlich: Die Ausgangslage ist eine andere. Der vakante SP-Sitz ist von allen andern Parteien unbestritten. Aber wenn nicht einmal die Öko-Partei selbst so recht an sich glaubt: Wer soll es dann sonst tun?
Die Grünen tragen heute keine Birkenstocksandalen und selber gestrickten Wollpullover mehr. Handgestrickt wirkt dafür noch immer ihre Bundesratsstrategie.