Die Stimmbevölkerung hat klar ja gesagt zum Covid-Gesetz. Und damit nicht nur den Corona-Skeptikern eine Absage erteilt. Sondern auch der SVP. Diese hatte sich als einzige Partei gegen das Gesetz ausgesprochen – unter anderem in der Hoffnung, damit Wählerinnen und Wähler zu befriedigen und neue Anhänger dazu zu gewinnen.
Das Kalkül ist nicht aufgegangen. Die SVP steht nach dem Abstimmungssonntag als Verliererin da. Das wird in der Partei zu reden geben. Denn nicht nur, dass die Kantonalsektion Aargau die Ja-Parole gefasst hatte. Auch die Thurgauer Nationalrätin Verena Herzog (65) warnte schon früh, dass «die Anti-Zertifikats-Politik der Partei sehr stark hinterfragt wird».
Alte treten aus
Besonders ältere Mitglieder, die bei einer Corona-Ansteckung mit schweren Verläufen rechnen müssten, verstanden die Haltung «ihrer» Partei nicht. Sie haben das Gefühl, dass die SVP sich zu wenig für den Schutz der Bevölkerung einsetzt. Und sie zeigten ihren Unmut nicht nur mehrfach in Wortbekundungen, sondern sie zogen die Konsequenzen – und traten zahlreich aus.
Schon Ende September berichtete die SRF-«Rundschau» über mehrere Austritte von Mitgliedern. Ein Trend, der Parteikadern in verschiedenen Kantonen mittlerweile Sorgen bereitet. Denn es sind die langjährigen, treusten Mitstreiter, die der SVP den Rücken kehren.
SVP-Vize Franz Grüter (58) bestätigt gegenüber Blick: «Es stimmt, wir verzeichnen Austritte. Das zeigt, dass Corona die Gesellschaft spaltet – und auch die SVP ist davon nicht verschont.» Über alles gesehen sei die Bilanz aber positiv, es gebe «wesentlich mehr Eintritte als Austritte».
Mehr Ein- als Austritte – aber was für welche?
In der Tat werden SVP-Spitzenpolitiker nicht müde zu betonen, die kritische Haltung zur Corona-Politik beschere ihnen gleichzeitig Zulauf. Insbesondere auf dem Land gewinne die Partei neue Mitglieder. Allerdings lässt sich nach dem Abstimmungssonntag kein Stadt-Land-Graben feststellen. Mit Ausnahme von Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagten alle Kantone ja zum Covid-Gesetz, zum grössten Teil deutlich.
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Die Zuwächse seien ausserdem vor allem Frust- und Protesteintritte von Corona-Skeptikern, sagen mehrere andere Parteigrössen. «Die werden höchstwahrscheinlich nie ihren Mitgliederbeitrag bezahlen, geschweige denn, wirklich für die Partei arbeiten», so ein kantonaler SVP-Spitzenpolitiker. «Das war schon bei denen so, die wegen der Blocher-Abwahl zu uns stiessen.»
Rekord-Zulauf nach Blocher-Abwahl
Nach der Abwahl von Christoph Blocher (81) aus dem Bundesrat im Jahr 2007 kam es zu Rekordeintritten in die SVP. «Doch die hat uns gar nichts gebracht, das waren Karteileichen», so ein Exponent hinter vorgehaltener Hand.
Grüter bestätigt, dass die aktuellen Zuwächse nicht so hoch seien wie bei der «historisch einmaligen Eintrittswelle» nach der Blocher-Abwahl. Und auch er erwartet nicht, dass sich die neuen Mitglieder wirklich in die Partei einbringen. «Es ist richtig: Von neuen Mitgliedern arbeiten nur Teile aktiv in der Partei mit, engagieren sich oder besuchen Versammlungen. Doch das sei kein spezielles SVP-Phänomen und auch kein Problem. Das geht allen Parteien so.»
Wenn die SVP nicht mehr das Original ist
Unterdessen zieht aber neues Ungemach auf: Die Kräfte hinter dem Referendum gegen das Covid-Gesetz planen die Gründung einer politischen Bewegung, die auch an den Wahlen 2023 teilnehmen will.
Die Chance ist zwar gering, dass die Massnahmen-Kritiker noch andere gemeinsame Positionen finden als den Kampf gegen die Corona-Politik und dass sie so tatsächlich zu einer bleibenden politischen Bewegung werden. Zu bunt zusammengewürfelt scheint die Protestgruppe derzeit. Doch, falls die Kritiker das schaffen, dürften die Skeptiker eher bei diesem Original ihr Kreuzchen machen als bei der SVP.
Und selbst wenn die Massnahmen-Kritiker bis zu den Parlamentswahlen in zwei Jahren wieder auseinander fallen, bleibt unsicher, ob die SVP von den Skeptikern profitiert. Denn es ist gut möglich, dass das eine oder andere SVP-Neumitglied der Partei bis dahin mit seiner extremistischen Ansichten massiven Ärger eingebracht hat, sodass der SVP weitere langjährige Mitglieder davonlaufen.