In Krisenzeiten – es gibt sogar Bundesräte, die darüber witzeln – können die Behörden eins am besten: beobachten. «Wir beobachten die Lage», das wurde in der Corona-Pandemie zum geflügelten Wort. Und auch jetzt, wo der Wohnungsmarkt ausgetrocknet und die Mieten für manche Menschen schon fast unbezahlbar hoch sind, will der Bundesrat erst einmal abwarten und prüfen.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63), Chef über das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO), warnte jüngst vor «sozialpolitischen Spannungen», wenn die Mieten steigen «und Menschen mit bescheidenen Einkommen keine Wohnung mehr finden». Die Konsequenz? «Ich verfolge die Entwicklungen sehr aufmerksam und prüfe mit dem BWO mögliche Massnahmen», sagte der Bundesrat gegenüber der «SonntagsZeitung».
«Es ist ein Trauerspiel»
Eine ähnliche Antwort gibt die Regierung auf einen Vorstoss von Carlo Sommaruga (63), Genfer SP-Ständerat und Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands. «Für Sofortmassnahmen sieht der Bundesrat derzeit keinen Bedarf, verfolgt aber die weiteren Entwicklungen aufmerksam», heisst es da.
Sommaruga kann nur den Kopf schütteln. «Es ist unglaublich, dass der Bundesrat angesichts einer solchen Notsituation und der drohenden sozialen Krise nichts vorschlägt.»
Auch Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden (52) aus dem Kanton Bern reagiert mit Unverständnis. «Es ist ein Trauerspiel. Parmelins Analyse, dass die aktuelle Situation zu sozialen Verwerfungen führt, ist richtig. Aber jetzt muss dringend etwas gehen!», sagt sie.
Das Bundesamt für Wohnungswesen teilt auf Blick-Anfrage mit, dass erste Massnahmen diskutiert worden seien. «Spruchreif» sei aber noch nichts. Dabei gibt es seit Jahren eine Gruppe bestehend aus Vertretern von Bund, Kantonen und Städten, die sich trifft, um über die Wohnungspolitik zu diskutieren. Doch das Gremium tagt nur einmal pro Jahr – zuletzt vergangenen September.
Mehr Rendite statt weniger Miete?
Im Parlament wächst die Ungeduld. Selbst Bürgerliche sehen Handlungsbedarf. Am Montag stehen auf der Traktandenliste der kleinen Kammer zwei Vorstösse des Luzerner FDP-Ständerats Damian Müller (38). Er fordert den Bundesrat auf, zu untersuchen, welche Faktoren zur Explosion der Wohnungsmieten geführt haben – und Massnahmen vorzuschlagen, wie man das Problem mittel- und langfristig angehen könnte.
Schnell ändert sich damit allerdings nichts. Ausserdem: Gleich danach entscheidet der Ständerat auch über einen Vorstoss des Bündner Mitte-Ständerats Stefan Engler (62). Der Titel seiner Forderung verspricht Gutes: «Mehr Rechtssicherheit im Mietrecht» – und zwar für Vermieter und Mieter.
Linke aber warnen, dass es vor allem darum gehe, höhere Renditen für Vermieter im Gesetz zu verankern. So soll festgelegt werden, wie viel höher die Nettorendite über dem vom Bund festgelegten Referenzzinssatz liegen darf. Der Vorstoss dürfte deutlich angenommen werden, auch der Bundesrat begrüsst ihn. Für Mietervertreter wie Natalie Imboden und Carlo Sommaruga steht fest: Statt das Problem anzugehen, verschärft man es dadurch.