Bio soll zum neuen «Normal» werden. Am 25. September stimmt die Schweiz über die Massentierhaltungs-Initiative ab. Das Volksbegehren will den Schutz der Würde von Nutztieren in der Verfassung verankern. Massentierhaltung würde explizit verboten. Neu sollen für die Haltung aller Nutztiere in den meisten Bereichen die heutigen Bio-Standards gelten. Doch: Wie viel besser ist Bio tatsächlich?
1. Pflege und Haltung
Klar ist: Bio ist nicht in erster Linie ein Tierwohl-Label. Je nach Tierart gibt es bei der Haltung keine oder nur geringe Unterschiede zu den gesetzlichen Minimalanforderungen. Diese sind im Tierschutzgesetz und der entsprechenden Verordnung festgehalten – etwa bezüglich Futter, Zugang zu Wasser, Ausgestaltung der Stallböden und Auslauf ins Freie.
Festgelegt ist auch, wie viele Tiere maximal auf einem Betrieb gehalten werden dürfen. Erlaubt sind beispielsweise höchstens 300 Rinder, 1500 Mastschweine oder je nach Alter der Tiere höchstens 18'000 bis 27'000 Hühner. «Kleinere Gruppengrössen bedeuten für die Tiere auch weniger Stress», erklärt David Herrmann von Bio Suisse.
Schon heute aber können sich Landwirte auch nach strengeren Standards richten – wofür sie im Gegenzug mehr Direktzahlungen bekommen. Hier gibt es zwei Programme: jenes für besonders tierfreundliche Ställe (BTS) und jenes für regelmässigen Auslauf im Freien (RAUS).
2. Zugang ins Freie
Heute werden in der Schweiz 62 Prozent der Nutztiere nach BTS-Standards gehalten. Nach RAUS-Standards sind es gemäss Angaben des Bundes sogar 78 Prozent. Allerdings: Je nach Tierart gibt es grosse Unterschiede.
In Bio-Betrieben ist das RAUS-Programm Pflicht. Zudem haben die Tiere etwas mehr Platz. Ins Gewicht fällt das aber eigentlich nur bei den Hühnern. Nach Bio-Standards dürfen maximal 2000 Legehennen oder Mastpoulets in einem Stall gehalten werden. «Ich wäre jedenfalls lieber ein Bio-Huhn als ein konventionelles Huhn», kommentiert Mitinitiantin und Grünen-Nationalrätin Meret Schneider (29) scherzhaft. Als Witz ist es nicht gemeint.
3. Futter
Strengere Bio-Standards gelten auch beim Futter. Das beginnt schon beim Pflanzenanbau. Hier verlangt die Initiative allerdings keine Verschärfung. «Wenn keine Hochleistungsrassen mehr gezüchtet werden, braucht es gar kein zusätzliches Kraftfutter mehr», sagt Schneider. Die Tiere wachsen langsamer auf, was sich positiv auf die Fleischqualität auswirkt.
4. Transport und Schlachtung
Doch auch die Lebenszeit von Bio-Tieren ist einmal abgelaufen. Dann geht es zum Schlachter. Auch für den Transport gelten Richtlinien, etwa zu Fahrzeiten, Platzverhältnissen oder zur Belüftung der Fahrzeuge. Der Stress soll für die Tiere möglichst gering gehalten werden.
Beim Schlachten selber aber wird kein Unterschied gemacht zwischen Tieren von Bio-Betrieben und aus konventioneller Haltung. Vor dem Schlachter sind alle gleich. Doch auch hier sehen die Initianten Verbesserungsbedarf. «Bei der heutigen Massenabfertigung fehlt es immer wieder an Sorgfalt», sagt Schneider. Immer wieder gingen Bolzenschüsse fehl, Tiere seien oft ungenügend betäubt. «Hier braucht es weniger Masse und mehr Wertschätzung.»
5. Höhere Preise
Bio-Standards erhöhen also zumindest teilweise das Tierwohl; auch die Fleischqualität ist merklich besser. Für Landwirte bedeuten sie aber auch höheren Aufwand, weniger Effizienz.
So hat Bio-Fleisch für Konsumenten auch einen gewichtigen Nachteil: deutlich höhere Preise. Die Unterschiede zwischen konventionellem und Label-Produkt sind teilweise riesig. Ein Beispiel aus dem Coop-Onlineshop: Pro 100 Gramm kostet niederländische Pouletbrust in der Grosspackung 1.13 Franken. Das Pendant von Naturaplan aus der Schweiz kostet für die gleiche Menge 5.60 Franken – fast fünfmal mehr!
Die Gegner der Initiative warnen denn auch davor, dass tierische Produkte noch teurer würden, was vor allem Haushalte mit geringem Budget treffen würde. Zwar räumt sogar Mitinitiantin Schneider leicht höhere Preise ein. Doch: «Solange wir ein Drittel unserer Lebensmittel wegwerfen, will mich das Kosten-Argument nicht überzeugen.»
Für Schneider ist aber auch klar: Der Detailhandel müsse beim Bio-Fleisch mit seinen Margen runter. Das sehen der Schweizer Tierschutz wie auch der Konsumentenschutz genauso. Gegenüber SRF spricht der Tierschutzverband von «völlig verzerrten Preisen». Der Aufpreis sei zu hoch, bei konventionellem Fleisch sei der Zuschlag des Handels deutlich geringer.
Coop und Migros aber wollen davon nichts wissen. Sie betonen regelmässig, dass sie mit Labelfleisch unter dem Strich nicht mehr verdienten. Höhere Kosten entstünden etwa durch Zertifizierungen, die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit oder Vermarktungsmassnahmen. (dba)