Die Abstimmungsschlacht um die Pestizid-Initiative steckt den Bauern noch in den Knochen, da steht bereits die nächste an.
Die Massentierhaltungs-Initiative verlangt, dass für Kühe, Hühner und Schweine künftig Biostandards gelten (siehe Box). Ställe mit 18'000 Hühnern wären damit illegal, Schweine und Kühe dürften regelmässig ins Freie.
Bundesrat sieht Handlungsbedarf
Dem Bundesrat geht die Initiative zu weit, Handlungsbedarf sieht er gleichwohl – weshalb er mit einem Gegenentwurf auf die Initiative reagiert. Der sieht vor, dass Kühe, Schweine und Hühner nicht mehr ihr Leben lang im Stall eingesperrt sein dürfen. Schweine müssten zudem einen Liegebereich mit Streu haben, statt auf dem nackten Boden zu liegen.
Der Bauernverband lehnt die Initiative ab, da die Schweiz bereits eines der strengsten Tierschutzgesetze habe.
Bald teurere Lebensmittel?
Auch von einem Gegenentwurf wollten die Landwirte in der vorberatenden Kommission nichts wissen. Ihr Argument: Der Vorschlag des Bundesrats mache die Lebensmittel teurer.
Hintergrund der Ablehnung dürfte aber auch das Kalkül sein, dass die Initiative vor dem Stimmvolk einen schweren Stand haben wird – und Konzessionen deshalb nicht nötig sind.
Die Massentierhaltungs-Initiative fordert höhere Tierwohlstandards für Geflügel, Schweine, Ziegen und Rinder. Bei der Umsetzung der Initiative soll sich das Parlament an den Richtlinien von Bio Suisse von 2018 orientieren. Diese verlangen unter anderem regelmässigen Auslauf für Nutztiere und sehen tiefere Höchstbestände vor als in der konventionellen Landwirtschaft. Vorgesehen ist eine Übergangsfrist von 25 Jahren.
Die Massentierhaltungs-Initiative fordert höhere Tierwohlstandards für Geflügel, Schweine, Ziegen und Rinder. Bei der Umsetzung der Initiative soll sich das Parlament an den Richtlinien von Bio Suisse von 2018 orientieren. Diese verlangen unter anderem regelmässigen Auslauf für Nutztiere und sehen tiefere Höchstbestände vor als in der konventionellen Landwirtschaft. Vorgesehen ist eine Übergangsfrist von 25 Jahren.
Markus Ritter (54), Präsident des Bauernverbands, überzeugte in der Kommission nebst der SVP auch eine Mehrheit der Mitte- und FDP-Politiker von einem Nein. Migros und Coop leisteten den Bauern Schützenhilfe: Auch die IG Detailhandel sprach sich, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete, gegen einen direkten Gegenvorschlag aus.
Kehrtwende der Detailhändler
Allerdings steht dieses politische Engagement etwas quer zu den öffentlichen Verlautbarungen und Werbebildern der Detailhändler. Auf diesen tummeln sich die Schweine zumeist fröhlich auf einer Wiese – just das, was Initiative und Gegenvorschlag in der Tendenz verlangen.
Dennoch sah es so aus, als habe der Bauernverband die entscheidende Schlacht bereits gewonnen, bevor der Nationalrat die Vorlage am Dienstag behandelt. Der Antrag von Grünen-Nationalrat Kilian Baumann (40), das Geschäft zurück an die Kommission zu verweisen und dort einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten, schien chancenlos.
Nun aber bekommen die Befürworter strengerer Tierwohlvorschriften Unterstützung von unerwarteter Seite: Die IG Detailhandel spricht sich inzwischen doch für einen indirekten Gegenvorschlag durch das Parlament aus. Das zeigt ein Brief an die Nationalratsmitglieder.
Für indirekten Gegenvorschlag
Migros, Coop und Denner begründen ihren Sinneswandel damit, dass ein indirekter Gegenvorschlag lediglich im Gesetz festgeschrieben würde – und nicht, wie beim bundesrätlichen Vorschlag, in der Verfassung.
Man habe sich «immer offen gezeigt für eine noch stärkere Förderung des Tierwohls» auf Gesetzesstufe, schreibt die IG Detailhandel auf Anfrage. Eine solche sei «begrüssenswert». Nebst der Vertretung des Detailhandels zeigen sich auch die Milchverarbeiter offen für einen Gegenvorschlag.
Frist für indirekten Gegenvorschlag wohl zu knapp
Für Bauernverbandspräsident Markus Ritter ist der Rückweisungsantrag indes «rein für die Galerie». Wegen der geltenden Fristen sei es dem Parlament gar nicht möglich, rechtzeitig einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Ein solcher müsste bis zum 18. März 2022 vorliegen.
«Dafür müsste erneut eine Vernehmlassung durchgeführt und dem Bundesrat die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden», sagt Ritter. Das sei in so kurzer Zeit nicht möglich.
Die Parlamentsdienste bestätigen, dass die Frist zur Ausarbeitung eines Gegenentwurfs «äusserst knapp» sei. Und wenn die vorberatende Kommission auf eine Vernehmlassung verzichte, stehe das im Widerspruch zum Gesetz. Das Parlament könne sich trotzdem für diesen Weg entscheiden: Es handle sich dabei um eine politische Frage.
Kann auf Vernehmlassung verzichtet werden?
Grünen-Nationalrat Baumann sieht kein Problem darin, im aktuellen Fall auf eine Vernehmlassung zu verzichten. «Ein indirekter Gegenvorschlag des Parlaments würde sich stark an jenen des Bundesrats anlehnen», sagt der Biobauer, «und dazu hat eine Vernehmlassung bereits stattgefunden.»
Allerdings: Ob diese Argumentation ausreicht, um genügend bürgerliche Politiker von einem Ja zum Gegenvorschlag zu überzeugen, ist fraglich. Wie meist gilt in Bundesbern: Alles andere als ein Sieg des Bauernverbands wäre eine Überraschung.