«Wirtschaftliches Interesse ist heute wichtiger als Tierwürde»
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SP-Ständerat Daniel Jositsch:«Wirtschaftliches Interesse ist heute wichtiger als Tierwürde»

Komitee präsentiert Argumente
Nur jedes achte Nutztier darf auf die Weide

«Raus aus der Massentierhaltung»: Mit diesem Slogan hat das Komitee der Massentierhaltungsinitiative am Montag seine Ja-Kampagne lanciert.
Publiziert: 11.07.2022 um 15:24 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2022 um 15:49 Uhr
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Am 25. September stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Massentierhaltungsinitiative ab.
Foto: imago/Rainer Weisflog

Am 25. September kommt die Initiative gegen Massentierhaltung an die Urne. Die Vorlage will die Würde der landwirtschaftlich genutzten Tiere in der Verfassung verankern.

Glaubt man dem Bund, verfügt die Schweiz bereits eines der strengsten Tierschutzgesetze weltweit. Vorschriften gibt es etwa zum Platz pro Tier, zu Fütterung und Betreuung und zu Lichtverhältnissen im Stall. Wie viele Tiere einer Art pro Betrieb gehalten werden dürfen, legen das Landwirtschaftsgesetz respektive die Höchstbestandesverordnung fest. Zusätzliche Bestimmungen gelten für Bio-Betriebe.

Kleinere Gruppen und schonende Schlachtung

Dem Komitee der Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» geht dies aber noch nicht weit genug. Im Fokus haben die Initiantinnen und Initianten die Landwirtschaft. Sie verlangen für landwirtschaftliche Nutztiere eine tierfreundliche Umgebung, also mehr Platz, Einstreu, Beschäftigungsmöglichkeiten. Auch sollen alle Tiere Zugang zu einer Weide haben. Die Standards sollen sich an den Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 orientieren

Werden Tiere - vor allem Hühner - in Gruppen gehalten, sollen diese Gruppen gemäss der Initiative weniger gross sein. Die Schlachtung der Tiere soll - nach einem kurzen Transportweg - schonend erfolgen. Damit einheimische Bauern nicht benachteiligt werden, sollen für Importe Regeln gelten, die Schweizer Standards entsprechen.

Nur jedes achte Tier darf auf die Weide

Die meisten in der Landwirtschaft gehaltenen Tiere müssten den grössten Teil ihres Lebens auf Betonböden und mit wenig Platz in Ställen oder Hallen verbringen, schreibt das Komitee. Möglichkeiten, sich zu beschäftigen hätten sie kaum, und nur rund jedes achte Tier könne regelmässig ins Freie.

Lanciert wurde die Initiative vom Verein Sentience. Zur Trägerschaft gehören die Fondation Franz Weber, Vier Pfoten und Greenpeace. Unterstützt wird die Initiative unter anderem vom Schweizer Tierschutz, der Stiftung für das Tier im Recht, Kag Freiland, der Kleinbauernvereinigung Grünen und Jungen Grünen. Die Ja-Parole beschlossen haben auch die SP. Bei den Grünliberalen beantragen Vorstand und Fraktion ebenfalls die Ja-Parole.

Keine Profitmaximierung auf Kosten der Tiere

Die Initiative fordert eine Abkehr von der «Profitmaximierung auf Kosten von Tier, Mensch und Umwelt», wie Co-Kampagnenleiter Philipp Ryf sagte. Grünen-Nationalrätin Delphine Klopfenstein (46/GE) kritisiert, dass auf der Hälfte der Ackerflächen Tierfutter statt Nahrungsmittel produziert werde.

Die Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (43) fordert mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele eine Reduktion der Tierbestände. In den Augen des Initiativkomitees kann ein zu hoher Konsum von tierischen Produkten zu Herz-Kreislauf-Krankheiten, zu Diabetes und auch zu Übergewicht führen. «Massentierhaltung» sei zudem ein Pandemierisiko.

Das Argument der Gegner der Initiative, wonach die Schweiz eines der strengsten Tierschutzgesetze habe, wollen die Initiantinnen und Initianten nicht gelten lassen. Die heutige Gesetzgebung reiche nicht aus, um drastische Einschnitte in das Wohlbefinden und die Würde der Tiere zu verhindern, schreiben sie.

Bund fürchtet höhere Kosten

Der Bundesrat geht die Initiative zu weit. Müssten Lebensmittel mit tierischen Produkten dem Bio-Standard entsprechen, führe dies höheren Preisen und weniger Auswahl. Importauflagen würden zudem internationale Handelsabkommen verletzen. Höhere Kosten kämen auch auf die Landwirtschaft zu.

Das Parlament empfiehlt die Massentierhaltungsinitiative zur Ablehnung. Nun ist der Ball beim Schweizer Stimmvolk. (SDA/lm)

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