Der Name lässt es vermuten: Die Massentierhaltungsinitiative will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in die Verfassung schreiben. Der Bund müsste Kriterien festlegen insbesondere für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse pro Stall. Dafür sollen Anforderungen festgelegt werden, die mindestens denjenigen der Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen.
Das geht dem Nationalrat zu weit. Am Mittwoch lehnte er die Initiative mit 111 zu 60 Stimmen bei 19 Enthaltungen ab. Neben Teilen der SP und der GLP stellten sich die Grünen vollumfänglich hinter die Initiative. «Wenn wir als Menschen Tiere halten und essen, sind wir verantwortlich, dass wir ihnen ein dem Tierwohl entsprechendes Leben ermöglichen», sagte Grünen-Nationalrätin und Mitinitiantin Meret Schneider (29).
Grüne warnen vor Massentierhaltung
In der Debatte zeigte sich eine Diskrepanz im Verständnis darüber, wie die landwirtschaftliche Tierhaltung in der Schweiz aussieht. Die Initianten zielen auf die Massentierhaltung. Die Grünen kritisieren etwa die Werbung, die suggeriere, dass es in der Schweiz nur Rinder und Hühner auf der grünen Wiese gebe. Das sei irreführend, es gebe Massentierhaltung, sagte etwa Bastien Girod (40), beispielsweise Ställe mit bis zu 27'000 Hühnern.
Aus diesem Grund soll die Anzahl der Tiere pro Stall reduziert werden. Für die Bäuerinnen und Bauern hätte das entsprechend grosse Folgen in der Infrastruktur. Die Initiative will den Landwirtschaftsbetrieben für die Umstellung der Infrastruktur 25 Jahre Zeit einräumen.
SVP findet Initiative unnötig
Die SVP und die Mitte zeichneten demgegenüber das Bild der Tierhaltung «mit Familienanschluss». «In der Schweiz gibt es keine Massentierhaltung», betonte Landwirt Andreas Aebi (63). Die meisten Betriebe beteiligten sich zudem bereits an Tierschutzprogrammen wie «Raus», bei welchem die Tiere regelmässigen Auslauf haben müssen. Die Initiative sei nicht nötig.
Kein Bauer und keine Bäuerin wolle zudem, dass es den Tieren schlecht gehe, sagte Aebi. «Wenn es meinen Tieren nicht gut geht, geht es mir überhaupt nicht gut.» SVP, Mitte und auch die FDP waren ausserdem der Meinung, dass die bestehenden Regelungen ausreichend für ein hohes Tierwohl sorgten. FDP-Sprecher Beat Walti (53) wies darauf hin, dass die Schweiz das einzige Land der Welt sei, das die Tierbestände pro Betrieb gesetzlich reguliere. Die Schweiz habe die strengsten Tierschutzregeln weltweit.
Uruguayisches Dumping-Entrecôte
Die Diskussion drehte sich auch um billiges Importfleisch, das Bäuerinnen und Bauern unter Druck setzt. Martina Munz (65) etwa verwies auf ein «uruguayisches Dumping-Entrecôte», das ihr in einem Grossverteiler angeboten worden sei und «angeblich aus Weidehaltung» stamme. Das gehe nicht. Die Initiative verlangt daher auch Vorschriften für den Import von Tieren und tierischen Erzeugnissen.
Die Bevölkerung könne schon heute mit dem Griff zu Schweizer Bio-Produkten einen Kaufentscheid zugunsten besser hergestellten Produkten fällen – allerdings sei das Angebot leider grösser als die Nachfrage, sagte dazu etwa Marianne Binder (63). Es sei unehrlich, dass Bäuerinnen und Bauern für die «Träumereien» von besserem Tierwohl bei fehlender Akzeptanz für höhere Preise hinhalten müssten, sagte Manuel Strupler (41).
Bundesrat wollte Gegenentwurf
Auch dem Bundesrat geht die Initiative zu weit. Allerdings will er die tierfreundliche Unterbringung, den regelmässigen Auslauf und die schonende Schlachtung von Nutztieren mit einem Gegenentwurf in die Verfassung aufnehmen. Damit sichere der Bundesrat die «absolut minimalsten Grundregeln» in der Verfassung, sagte SP-Nationalrat Samuel Bendahan (41). Der Rat lehnte das aber mit 107 zu 81 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Die Grünen, die SP und die GLP stimmten dafür.
Ebenfalls abgelehnt wurde der Antrag von des Berner Grünen Nationalrats Kilian Baumann (41), dem Volksbegehren einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Die Idee neuer Tierhaltungsregeln auf Gesetzesstufe erreichte nur die Ratslinke und die GLP – und wurde mit 106 zu 81 Stimmen verworfen.
Schliesslich blieb es trotz stundenlanger Debatte bei der Ablehnung sowohl der Initiative als auch jeglicher Alternativen dazu. Als nächstes debattiert der Ständerat darüber.
(SDA)