Wer im Parlament sitzt, erhält ohnehin bereits Unmengen an E-Mails und Briefen. Doch in der Corona-Krise ist auch hier alles anders. National- und Ständeräte erhalten Klagen von betroffenen Unternehmen, Wutschreiben, dass die Schweiz zu viele Corona-Tote in Kauf nehme – und massenhaft Mails von Corona-Skeptikern.
Besonders in der heute Freitag zu Ende gehenden Wintersession hat das Mail-Bombardement wieder zugenommen. Einen Screenshot ihrer Inbox hat SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (59) auf Twitter gestellt. «Seit Wochen» sehe ihr Mailaccount so aus. Badran macht auch kein Geheimnis daraus, was sie von den Mail-Schreibern hält: «Covidioten.»
Koordinierte Aktion
Es ist nicht das erste Mal, dass Mails zum Thema Corona die Inbox der Parlamentarier stärker fluten als ohnehin schon. Bereits im Sommer wurden deswegen Klagen laut. Für Frust sorgte schon damals, dass Wort für Wort gleichlautende Nachrichten eintrafen – hundertfach. Denn einen Text zu kopieren, ist schnell gemacht, und die Mailadressen der Parlamentarier sind öffentlich einsehbar.
Auch diesmal wurde viel Text kopiert: Wie die Zeitungen der «CH Media» berichten, handelt es sich um eine koordinierte Aktion – quasi einen «Adventskalender» für die Parlamentarier. Der Aufruf dafür stammt von einer Gruppe, die Unterschriften für eine Petition sammelt, welche die «Einsetzung einer ausserparlamentarischen unabhängigen Untersuchungskommission» fordert – denn die Corona-Massnahmen seien «ohne medizinische Not» ergriffen worden.
Bundespolizei besorgt
Wie «CH Media» berichtet, zeigt sich gar die Bundespolizei besorgt. «Der Ton ist heftiger geworden», so Florian Näf, Sprecher des Bundesamts für Polizei (Fedpol). Bei Teilen der Skeptikerszene stelle man eine «zunehmende Radikalisierung» fest.
Auch von der Mail-Aktion hat das Fedpol Kenntnis. Um Drohungen im strafrechtlichen Sinn handle es sich bei der Mail-Flut nicht. Reale Konsequenzen sind deshalb nicht ausgeschlossen: «Virtuelle Unmutsbekundungen sind der Nährboden für noch mehr Beschimpfungen oder reale Gewalttaten, die das Funktionieren der politischen Institutionen gefährden können», so Näf. (gbl)