Die 13. AHV-Rente, über die im März abgestimmt wird, würde die Ausgaben bis 2032 laut Bundesrat um 5 Milliarden Franken erhöhen. Dies zeigen Simulationen der Kosten und Erträge des Bundes und des Parlaments bis 2050.
Um den Fortbestand der ersten Säule sicherzustellen, müssten der Bund und die Unternehmen rasch handeln. Bei einer Inkraftsetzung im Jahr 2026 wird das Umlagedefizit der AHV zehn Jahre später satte 9,7 Milliarden Franken betragen. Ohne die 13. AHV-Rente gäbe es bloss ein Defizit von 5,3 Milliarden Franken. Mit einer 13. AHV-Rente wäre dieser Fehlbetrag also sehr viel grösser.
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Die Gewerkschaften argumentieren, in der AHV sei noch Geld vorhanden. Doch das stimmt nicht. Das zeigen die öffentlichen Prognosen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV): Mit einer 13. AHV-Rente und ohne zusätzliche Finanzierung geriete die AHV innert zwei Jahren nach Einführung ins Defizit.
Die politischen Unwägbarkeiten der Finanzierung
Die Volksinitiative definiert nicht, wie 13. AHV-Rente finanziert werden soll. Das Parlament müsste das nach einem Ja in der Abstimmung in Eigenregie tun. Über diese Umsetzung dürfte erwartungsgemäss ein heftiger Streit entstehen.
Der Bundesrat hat den Finanzierungsbedarf geschätzt: Entweder müsste die Mehrwertsteuer um 1 Prozent angehoben werden.
Oder die AHV-Lohnabzüge müssten um 0,8 Prozentpunkte steigen, also von heute 8,7 auf 9,5 Prozent des Bruttolohns. Die AHV-pflichtige Lohnsumme beläuft sich auf rund 410 Milliarden Franken. Aus der Erfahrung früherer Vorlagen dürfte ein Mix dieser Massnahmen wahrscheinlich sein.
Der Kreis der Betroffenen wäre je nach Massnahme unterschiedlich. Würde die Mehrwertsteuer erhöht, müssten alle – ob Reich oder Arm, Firmen oder Private und selbst die Rentnerhaushalte – die 13. AHV-Rente finanzieren. Würden die Lohnabzüge erhöht, würden die arbeitende Bevölkerung und die Firmen die Zeche zahlen. In welchem Ausmass, ist umstritten.
Happige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Der Bundesrat hält die Textpassage in seiner Botschaft über die wirtschaftlichen Folgen der 13. AHV-Rente sehr knapp. Nur drei Sätze stehen dort. Er sagt erstens, die höheren Lohnkosten würden «die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen». Zweitens würden die höheren Lohnkosten «die Arbeitsnachfrage durch die Unternehmen dämpfen». Im Klartext meint dies: Die Firmen würden weniger Leute anstellen, Abgänge nicht mehr ersetzen oder Leute entlassen. In der Firmensprache sind das oft die sogenannten «Effizienzmassnahmen zur Senkung der Kostenbasis».
Und drittens sagt der Bundesrat: «Durch die Verteuerung der Arbeit würde auch der Anreiz steigen, Personalkosten zu sparen und den Kapitalanteil an der Produktion zu erhöhen.» In der Praxis heisst dies, dass Firmen zum Beispiel eher die Löhne drücken oder den vollen Teuerungszuschlag nicht gewähren würden. Etwaige Lohnrunden wären aufgeschoben. Auch dürfen Firmen menschliche Arbeit noch schneller als bisher durch Maschinen oder digitale Lösungen ersetzen, etwa mit künstlicher Intelligenz.
Firmen zahlen weit weniger als Angestellte
Bereits 2014 schätzte eine Studie des Büros Ecoplan im Auftrag Bundes die Folgen einer Erhöhung der Lohnnebenkosten (Titel: «Reform der Altersvorsorge 2020: Auswirkungen auf Beschäftigung, Löhne und Arbeitskosten»). Darin wurde der Fall einer Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,8 Prozentpunkte durchgerechnet. Das Resultat: «32 Prozent der Erhöhung tragen die Arbeitgeber, 68 Prozent der Mehrkosten würden auf die Arbeitnehmenden überwälzt werden.» Die Lastenverteilung beträgt also rund ein Drittel zu zwei Dritteln.
Der Trend scheint sich zu verstärken. Denn in einer zweiten Studie von 2020 kommt dasselbe Büro Ecoplan auf einen Überwälzungsfaktor von gar 76 Prozent auf die Arbeitnehmenden – also auf drei Viertel der Lohnmehrkosten.
Mit steigenden Löhnen und Mehrwertsteuer wird die Inflation angeheizt
Firmen im Binnenmarkt mit genügend Preissetzungsspielraum könnten die Mehrkosten eher auf die Kundschaft überwälzen, sagt Simon Wey, Chefökonom des Arbeitgeberverbandes. «In diesem Fall bestünde die Gefahr, dass dies die Inflation anheizen würde.» Wie nach der Energiekrise vor zwei Jahren dürfte eine Teuerungsspirale in Gang gesetzt werden.
Am 3. März kommt es zum Renten-Showdown an der Urne. Dann entscheidet das Stimmvolk gleich über zwei AHV-Initiativen: einerseits über die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Andererseits über die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen.
Die Volksinitiative der Gewerkschaften «für ein besseres Leben im Alter» verlangt die Einführung einer 13. AHV-Rente. Bei einem Ja gibt es zu den bisherigen zwölf Monatsrenten quasi einen 13. Monatslohn für Seniorinnen und Senioren hinzu.
Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter erhöhen. Zuerst soll es bis 2033 schrittweise von 65 auf 66 Jahre steigen und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt werden: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll es um 0,8 Monate rauf – auf 67, 68 oder mehr. Automatisch.
Details zu beiden Initiativen findest du hier.
Am 3. März kommt es zum Renten-Showdown an der Urne. Dann entscheidet das Stimmvolk gleich über zwei AHV-Initiativen: einerseits über die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Andererseits über die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen.
Die Volksinitiative der Gewerkschaften «für ein besseres Leben im Alter» verlangt die Einführung einer 13. AHV-Rente. Bei einem Ja gibt es zu den bisherigen zwölf Monatsrenten quasi einen 13. Monatslohn für Seniorinnen und Senioren hinzu.
Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter erhöhen. Zuerst soll es bis 2033 schrittweise von 65 auf 66 Jahre steigen und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt werden: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll es um 0,8 Monate rauf – auf 67, 68 oder mehr. Automatisch.
Details zu beiden Initiativen findest du hier.
Die Ökonomengilde ist sich einig darüber, dass die Angestellten nach Sektoren unterschiedlich betroffen wären. In der Exportindustrie (Chemie, Maschinenbau und IT) und ihren hiesigen Zulieferfirmen (oft KMU) würden die Beschäftigen eher darunter leiden als in binnenmarktorientierten Firmen. Exportfirmen sind exponierter, weil sie der internationalen (Tieflohn-)Konkurrenz ausgesetzt sind. Auf diesen Märkten können höheren Lohnkosten nicht so leicht über höhere Preise kompensiert werden, zumal der Franken im Vergleich zu den Währungen der Absatzmärkte laufend stärker wird.
Im Export würden nach einem Ja zur AHV-Initiative sehr wahrscheinlich mehr Stellen verloren gehen als in der Binnenwirtschaft. Letztere sind typischerweise Treuhandfirmen, Handwerksbetriebe, der Detailhandel oder Coiffeusen. Sie können die Preise einfacher erhöhen, weil die Kundschaft nicht ausweichen kann. Diese kann höchstens weniger konsumieren, was das Wachstum und den Wohlstand bremsen dürfte.
Ganz geschützt wären laut gängiger Ökonominnenmeinung Angestellte des Staates. Die dortigen Lohnmehrkosten würden einfach über höhere Budgets, das heisst über Steuergelder, finanziert werden.
Eine 13. AHV-Rente für Bedürftige wäre viel günstiger
Im Parlament wurde eine Option erwogen, durch eine 13. AHV-Rente nur die 20 Prozent ärmeren Rentenhaushalte finanziell zu stützen. Diese wäre über eine Verbesserung der AHV-Rentenformel realisiert worden, das heisst, über eine vorteilhaftere Rente für die 20 Prozent der tiefsten Einkommen. Sie hätte eine jährliche Verteuerung der AHV-Kosten von bloss 0,5 Milliarden Franken zur Folge.
Die Differenz zwischen jährlichen Kosten der Option «Mehr AHV-Rente für tiefe Einkommen» und einer 13. Rente für alle – rund 4,5 Milliarden Franken jährlich – zeigt, wie stark die aktuelle Vorlage vor allem gut situierten Rentenhaushalten zukommen würde.
Eine historische Abstimmungsvorlage
Die ökonomische Tragweite der Abstimmung ist bedeutend. Das hat es so schon lange nicht mehr gegeben. Einen letzten solch folgenreichen Entscheid fällte das Stimmvolk 1972: Damals musste es zwischen der Einführung einer «Volkspension» oder der drei Säulen zur Altersvorsorge entscheiden. Es entschied sich für Letztere. Die AHV, die seit 1948 existierte, wurde daraufhin massiv ausgebaut – sie wurde zur existenzsichernden Rente.
Die beschlossenen AHV-Mehreinnahmen betrugen damals (zu heutigen Werten) rund 3,5 Milliarden Franken. Die Einnahmen wurden überwiegend über Lohnbeiträge generiert. Die AHV-Beiträge der Arbeitgeber- und Arbeitnehmendenseite stiegen in zwei Schritten von 5,2 auf 8,4 Prozent (1972 und 1975) der AHV-pflichtigen Löhne. Danach hielt sich das Niveau von 8,4 Prozent bis letzten Dezember, das heisst 48 Jahre lang.
Seit Januar liegen die AHV-Beiträge um 0,3 Prozentpunkte höher, was die Unternehmen derzeit am Verdauen sind. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Erhöhung und AHV-Reform werden erst in ein paar Jahren analysiert werden können.
Der Kostenschub für die Reform der zweiten Säule kommt noch obendrauf
Der nächste Kostenschub erwartet die Firmen und Angestellten mit der BVG-Reform. Über diese wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres abgestimmt. Gemäss Beschluss des Parlaments müssten Firmen für die 25- bis 34-Jährigen 2 Prozentpunkte mehr an Lohnabzügen in die zweite Säule einzahlen als heute.
Über diese kumulierten wirtschaftlichen Folgen der AHV- und der BVG-Reform wird bis heute geschwiegen. Sie wären sehr wahrscheinlich noch happiger: noch höhere Lohnabzüge, noch höhere Lohnkosten, noch weniger Stellen und eine noch stärkere Inflation. Alles in allem zeichnet sich eine bedrohliche Lohn-Preis-Spirale ab. Diese Wirkung haben bisher weder der Bundesrat noch die Wissenschaft beziffert.