Müssen Zwölfjährige wissen, was Anal-Plugs sind und wie man ein Lecktuch einsetzt? Sicher nicht, findet die SVP-Nationalrätin Verena Herzog (65). Genau darum geht es aber – unter anderem – in der Broschüre «Hey You». Das für Schulen gedachte Aufklärungswerk ist Herzog schon länger ein Dorn im Auge. Denn der Bund unterstützt die Herausgeberin, die Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz, mit 800'000 Franken pro Jahr.
Der Verein Schutzinitiative, in dessen Vorstand neben Herzog auch ihre Amts- und Parteikollegen Andrea Geissbühler (45) und Andreas Gafner (49), sowie Mitte-Politiker Benjamin Roduit (59) sitzen, will nun Sofortmassnahmen. Die «perverse Broschüre» müsse aus dem Verkehr gezogen werden, fordert der Verein in einem Brief, der an sämtliche Bildungsdirektoren und die Erziehungsdirektorenkonferenz gerichtet ist. «Hey You» müsse aus dem Programm gestrichen werden und dürfe «weder jetzt noch in Zukunft» verwendet werden.
«Es kann definitiv nicht Aufgabe der Schule sein, bereits zwölfjährigen Kindern Anweisungen zum Gebrauch von Anal- und anderen Sexspielzeugen zu geben!», heisst es im auf der Webseite veröffentlichten Brief. Noch schlimmer: Lehrer, die Schülern eine Porno-Anleitung geben, würden «in die Nähe justiziabler Verhaltensweisen» geraten, dem sogenannten Grooming.
Zu grosse Altersspanne?
Das 60-seitige Aufklärungswerk «Hey You» richtet sich an 12- bis 18-Jährige. Gegenüber den Zeitungen der «CH Media» äussert der Experte Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, Kritik an dieser Altersspanne: Die Aufklärung in der Broschüre sei nicht altersgerecht.
«Wer glaubt, gleichzeitig 12- bis 18-Jährige ansprechen zu können, besitzt nicht einmal ein rudimentäres Verständnis für die Entwicklungspsychologie der Altersstufen», kritisiert Pastötter.
Bessere Aufklärung für besseren Schutz
Dagegen wehrt sich die Herausgeberin des Werks, Sexuelle Gesundheit Schweiz. Ganzheitliche Sexualaufklärung beschränke sich nicht nur auf die Vermittlung von Informationen über die Fortpflanzung, so Geschäftsleiterin Barbara Berger.
Sie wehrt sich auch entschieden gegen den Vorwurf des Groomings: «Es ist erwiesen, dass Kinder und Jugendliche, die seit früher Kindheit Zugang zu ganzheitlicher Sexualaufklärung haben, besser vor Übergriffen geschützt sind.»
«Übermässiger LGTBI-Einfluss»
Herzog hat indessen ihren Protest bereits ins Parlament getragen: Per Vorstoss stellt sie den Jahresbeitrag von Sexuelle Gesundheit Schweiz in Frage – und kritisiert den «übermässigen LGTBI»-Einfluss. Die Themen Transsexualität und sexuelle Vielfalt würden «unverhältnismässig stark in den Vordergrund gerückt» – und die Schülerinnen und Schüler geradezu aufgefordert, ihre Geschlechtsidentität und ihre sexuelle Orientierung zu hinterfragen.
Laut «CH Media» sind seit der Veröffentlichung von «Hey You» gut 38'000 Exemplare bestellt worden, was etwa 1500 Klassen entspreche. (gbl)