Der Grat zwischen lustig und peinlich ist bei Wahlvideos immer wieder schmal. Das zeigt auch der neuste Wurf der Mitte-Partei der Stadt Bern.
Dort tanzen der Berner Gemeinderat Reto Nause (52) und die beiden Kandidatinnen Sibyl Eigenmann (37) und Milena Daphinoff (39) gemeinsam auf einer Dachterrasse. Anlass für das neuste Tanzvideo sei, dass ihnen nachgesagt werde, dass sie auf ihrem Wahlplakat wie eine Rockband aussehen. Das habe sie inspiriert, sagen die drei.
«Lauf andern hinterher»
Im nun auf Twitter veröffentlichten Video hüpfen und torkeln die drei zum Song der deutschen Songwriterin Lotte (28) «Mehr davon». Bekleidet in Lederjacken und Sonnenbrillen.
Aber ob das entsprechende Lied wirklich das passende ist? So beginnt die erste Strophe des Hits nämlich folgendermassen: «Wie oft seh ich vor Bäumen den Wald nicht mehr, wie oft lass ich mich stehen, lauf andern hinterher.» Ob es das ist, was sich die Wählerinnen und Wähler vermehrt von ihren Vertretern im Bundeshaus wünschen? Wohl nicht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Nause sich mit einem Video in Szene setzen will. Schon 2009 machte er bei einem Wahlvideo der damaligen Mitte-Partei mit. Damals war er als wenig erfolgreicher Verteidiger auf dem Fussballplatz zu sehen.
Blocher sang für die SVP
Auf die Karte Musik setzen auch die anderen Partien in den letzten Jahren immer wieder. Unvergessen ist etwa der Freiheitssong der SVP «Wo e Willy isch, isch ou e Wäg». Darin besang 2015 der Volksrocker Willy Tell die Unabhängigkeit der Schweiz – mit tatkräftigem Unterstützungschor der SVP-Grössen Christoph Blocher (82), Ueli Maurer (72) und Toni Brunner (48).
Aber noch einen darauf setzte die stärkste Partei 2015 mit dem Party-Kracher «Welcome to SVP». Der vom Zürcher Nationalrat Thomas Matter (57) alias DJ Tommy produzierte Song landete gar in der Hitparade. Im zugehörigen Video traten nochmals alle auf, die damals bei der SVP Rang und Namen hatten: alt Bundesrat Christoph Blocher (82) beim Schwimmen in seinem Pool, Natalie Rickli (46) mit Pommes Chips beim SRF Schauen oder Roger Köppel (58), der auf dem WC die linke «WOZ» liest.
Auch Nationalrat Beat Flach (58) hat vor vier Jahren mit seinem grünliberalen Song seine Wählerinnen und Wähler zu begeistern versucht. Immer nach dem Motto: Der Ernst des (politischen) Lebens kommt so oder so wieder auf uns zu; geniessen wir heute das Leben und haben etwas Spass, heisst es in der Legende des Songs. Seine Wiederwahl konnte Flach damit jedenfalls sichern.
Es ist davon auszugehen, dass die Mitte Bern nicht die letzte Partei mit einem neuen musikalischen Wahlvideo sein dürfte dieses Jahr.
Viele Kandidatinnen und Kandidaten starten erst in den nächsten Wochen in den heissen Wahlkampf für die Wahlen im Herbst – der ein oder andere wird wohl auch mit einem musikalischen Schmankerl auf sich aufmerksam machen wollen. (sie)