Wenn es um internationale Sanktionen gegen Russland geht, hechelt die Schweiz regelmässig hinterher. Und das liegt nicht nur am anfänglichen Zaudern des Bundesrats: Es ist sogar gesetzlich festgelegt, dass die Schweiz gar eigenen Strafen beschliessen kann, sondern nur jene der Europäischen Union oder der UNO übernehmen darf.
Diesen Grundsatz will die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats nun umstossen - und das radikal. Sie folgt damit einem Antrag von SP-Nationalrat Fabian Molina (31), der einen Paradigmenwechsel verlangt: Künftig soll die Schweiz auch selbst Sanktionen beschliessen können.
Das Embargogesetz soll dahingehend geändert werden, dass der Bundesrat sogenannte «Smart Sanctions», also «schlaue Sanktionen» beschliessen kann. Diese können sich nicht nur gegen Staaten oder Organisationen richten, sondern auch gegen Einzelpersonen.
SP jubelt, SVP grummelt
«Bei schweren Verbrechen gegen das Völkerrecht muss die Schweiz rasch reagieren und gezielt Sanktionen gegen die Verantwortlichen verhängen können», argumentiert Molina. In Fällen wie dem Angriffskrieg Putins könne so schon an «Tag eins» selbstständig Sanktionen ergriffen werden.
Die Kommission folgte Molinas Argumentation mit grosser Mehrheit von 18 zu 6 Stimmen. Gar nicht begeistert ist wenig überraschend die SVP. «Das ist Wahnsinn! Neutralitätspolitisch ist das ein unglaublicher Entscheid», findet SVP-Aussenpolitiker Roland Rino Büchel (56). Auch wirtschaftlich könnten solche Sanktionen enormen Schaden mit sich bringen.
Komme hinzu, «dass wir uns mit einem Positionsbezug auch in einem Krieg zur Zielscheibe machen können», meint Büchel weiter. «Ich kann das gar nicht fassen!»
Zu einem anderen Schluss kommt Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (58): «Die Schweiz soll als souveräner Staat die Möglichkeit haben, selber Sanktionen verfügen zu können – wenn sie im Interesse des Landes sind.» Dabei könne der Bundesrat gestützt auf die Bundesverfassung eigentlich schon heute Sanktionen ergreifen. «Er macht es einfach nicht», sagt Schneider-Schneiter. Die Kommission wolle die Regierung nun dazu ermuntern, das Instrument bei Bedarf auch tatsächlich zu nutzen.
Debatte kommt im Juni
Wenig begeistert war dem Vernehmen nach auch FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (61). Eigene Sanktionen beschliessen und gleichzeitig die guten Dienste anzubieten werde damit künftig schwierig, warnte er – allerdings ohne Erfolg.
FDP-Nationalrätin Petra Gössi (46) wiederum findet: «Die jüngsten politischen Entwicklungen zeigen, dass das Parlament die Neutralität und alle damit zusammenhängenden Aspekte breit diskutieren muss.»
Das letzte Wort ist allerdings noch längst nicht gesprochen. Laut dem Präsidenten der Kommission, SVP-Nationalrat Franz Grüter (58), wird das Embargogesetz in der kommenden Sommersession im Juni behandelt werden. (pt/dba/gbl)