Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44, SVP) nutzte den Besuch von Bundesrat Alain Berset (48), um sich zu beklagen. Zürich werde benachteiligt, sagte sie vergangenen Dienstag nach dem Treffen mit dem Gesundheitsminister am Zürcher Flughafen. Der grösste Kanton der Schweiz erhalte weniger Impfdosen vom Bund, als ihm zustünden.
Ein Vorwurf, den Ricklis Departement seit über einem Monat wiederholt. Doch die Behauptung ist haltlos. Das zeigen Zahlen, welche die Gesundheitsdirektion auf Anfrage von BLICK nun herausgibt.
Verteilschlüssel ist öffentlich
Schon Ende Januar begründete Rickli den schleppenden Impfstart in Zürich mit der Behauptung, der Kanton werde bei der Verteilung des Impfstoffs unfair behandelt. Damals war der genaue Verteilschlüssel nicht öffentlich, nach welchem das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Impfdosen den Kantonen zuteilt. Die Öffentlichkeit konnte nicht nachprüfen, ob stimmt, was Zürich sagt. Auch das BAG dementierte nie.
Inzwischen ist das aber anders. Anfang Februar hat das BAG den Verteilschlüssel publik gemacht: Zürich hat Anspruch auf 16,75 Prozent der schweizweit verfügbaren Impfdosen. Wie die Zürcher Gesundheitsdirektion auf Nachfrage mitteilt, wurden dem Kanton bis gestern 217'000 Impfdosen zugesprochen.
Nicht die Gesamtbevölkerung ist entscheidend
Das entspreche einem Anteil von 16,6 Prozent. Von einer gravierenden Benachteiligung kann also nicht die Rede sein. Die 0,15 Prozentpunkte Abweichung – weniger als 2000 Impfdosen – lassen sich mit der Impfstoff-Logistik erklären: Weil der Biontech-Impfstoff beispielsweise in Chargen à 975 Stück geliefert wird, die nicht getrennt werden dürfen, erhalten kleine Kantone verhältnismässig etwas mehr Dosen, als ihnen eigentlich zustehen würden. So hätte Uri beispielsweise nur Anrecht auf rund 4600 Impfdosen, hat so aber knapp 5000 bekommen.
Zürich behauptet hingegen gegenüber BLICK, man habe Anspruch auf 17,9 Prozent aller verfügbaren Impfdosen – entsprechend dem Anteil der Zürcherinnen und Zürcher an der Schweizer Gesamtbevölkerung. Die SVP-Regierungsrätin Rickli rechnet somit mit einem falschen Vergleichswert. Denn der Verteilschlüssel – das ist seit langem bekannt – basiert nicht nur auf der Einwohnerzahl, sondern er berücksichtigt fairerweise auch, wie viele Risikopersonen in einem Kanton leben.
Berechnet hat den Schlüssel das BAG mit den beiden Hochschulen ETH Zürich und ZHAW. Sobald andere Prioritätengruppen mit der Impfung an der Reihe sind, wird auch der Verteilschlüssel angepasst – dann auch zugunsten von Zürich.
Zürich stört sich an der Kommunikation
Damit konfrontiert, windet sich die Gesundheitsdirektion: «Entscheidend ist, dass in der Kommunikation des BAG der Impffortschritt an der Gesamtbevölkerung gemessen wird», findet Sprecherin Lina Lanz. Deshalb sollte man, so die Sicht des Kantons, auch den Impfstoff entsprechend verteilen. «Sonst wird der Kanton Zürich benachteiligt.» Ricklis Departement hält weiter fest, dass der Verteilschlüssel «nicht nachvollziehbar» sei. Man stehe mit dem BAG deswegen in Kontakt.
Dabei ist schon seit Ende 2020 klar, wie der Verteilschlüssel berechnet wird. Zumindest öffentlich kritisiert ihn kein anderer Kanton.
Noch immer kein Anmeldetool
Der Verdacht kommt auf, dass Zürich mit der Kritik an Berset und dessen Impfmanagement von den eigenen Problemen ablenken will. Viele Seniorinnen und Senioren sind verärgert, dass sie noch immer auf einen Termin warten. In Zürich sind im Gegensatz zu anderen Kantonen noch nicht alle über 75-Jährigen geimpft. Das erhöht den Druck auf die Behörden.
Zwar steht Zürich wegen seiner Einwohnerzahl bei der Corona-Impfaktion vor einer grossen Herausforderung. Doch auf die Einwohnerzahl allein lässt sich nicht alles schieben. Während sich beispielsweise in Bern oder dem Aargau bereits alle Impfwilligen online voranmelden können, funktioniert das IT-Tool in Zürich noch immer nicht. Die Software, die der Bund den Kantonen zur Verfügung stellte, war Anfang Jahr unter dem riesigen Ansturm zusammengebrochen. Eine Alternative soll in Zürich erst Ende März zur Verfügung stehen. Nachdem man erst eine eigene IT-Lösung zimmern wollte, will der Kanton nun auf die Berner Software setzen.
BAG wartet weiterhin auf Daten
Wegen der fehlenden IT-Lösung liefert Zürich dem BAG auch noch immer keine detaillierten Daten zu den durchgeführten Impfungen – obwohl die Kantone dazu eigentlich seit zwei Wochen verpflichtet sind.
Zürich ist damit allerdings keine Ausnahme. Mehr als die Hälfte der Kantone sind noch nicht fähig, automatisch die geforderten Daten – zum Beispiel Alter oder Geschlecht der Geimpften – zu übermitteln. «Wir stehen mit den betroffenen Kantonen in Kontakt und suchen gemeinsam nach Lösungen, um den Datenfluss möglichst schnell sicherzustellen», teilt das BAG mit.
Mehr zum Impf-Knatsch zwischen Bund und Zürich
Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind gross beim Impfen. In Zürich sind bis Ende vergangener Woche knapp 8 Impfdosen pro 100 Einwohner verimpft worden – knapp 9 Prozent der Hochrisikopersonen sind bereits vollständig geimpft. In Nidwalden hingegen wurden annähernd doppelt so viele Impfdosen gespritzt, sodass schon jede vierte Hochrisikoperson beide Impfdosen erhalten hat.
Generell sind die kleinen Kantone den grossen voraus. Dort ist man vielfach auch bereits mit den Impfungen in den Altersheimen durch.
Der Plan wäre, dass sich bis Ende Juni alle impfen können, die das gerne möchten. Während Bundesrat Alain Berset (48, SP) weiterhin an das Ziel glaubt, ist die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44, SVP) wegen des knappen Impfstoffs pessimistischer. Sie glaubt nicht, dass man mit den Impfungen vor den Sommerferien fertig ist.
Luzern beispielsweise hat seinen Impfplan angepasst. Hatte er vor einem Monat angegeben, dass «voraussichtlich ab März» Personen zwischen 65 und 74 geimpft werden, ist nun von «frühestens Mai/Juni» die Rede.
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