Zahlen lügen nicht. Sollte man meinen. Kein Wunder, sorgte die am Dienstag vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlichte Corona-Impfstatistik für rote Köpfe. Denn sie erweckte den Anschein, dass der Kanton Zürich pro Kopf viel weniger Impfdosen erhalten hat als etwa Basel-Stadt oder das Wallis.
Während Basel-Stadt mit seinen 200'000 Einwohnern 23'700 Impfdosen vom Bund erhielt, muss sich Zürich bislang mit knapp 79'000 Dosen begnügen – obwohl Zürich fast achtmal so viele Einwohner hat wie Basel-Stadt.
Zürich prangert Intransparenz an
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44, SVP) ist sauer. Der Kanton erhalte weniger Impfdosen, als ihm aufgrund seines Bevölkerungsanteils zustünde, erklärt ihre Direktion gegenüber BLICK: «Wir können das auch nicht nachvollziehen und würden es für sinnvoll halten, wenn der Bund den Verteilschlüssel transparent und nachvollziehbar kommunizieren würde.»
Wiederholt musste sich ihr Kanton den Vorwurf anhören, bei der Impfoffensive nicht in die Gänge zu kommen. Bis heute wehrt sich Rickli, dass das nicht an Zürich liege: «Auch wir könnten schneller impfen, wenn wir mehr Impfstoff hätten.»
Werden tatsächlich nicht alle Kantone gleich behandelt, wie Zürich dem Bund unterstellt? Nein, zeigen Nachforschungen von BLICK. Allerdings: Was die – zugegebenermassen komplizierte – Verteilung der Impfstoffe betrifft, herrscht nur wenig Transparenz. Und dafür umso mehr Verwirrung.
BAG jongliert mit falschen Zahlen
Ein Grund: Das BAG hat am Dienstag falsche Zahlen kommuniziert – wegen eines Missverständnisses zwischen Armee und BAG. Bei einigen Kantonen waren Impfdosen mit eingerechnet, die diese noch gar nicht erhalten haben. Die Angaben wurden inzwischen korrigiert.
Die Kantone rufen die Impfdosen beim Bund ab, sobald sie diese benötigen. Der Rest lagert weiter bei der Armeeapotheke und ist für sie reserviert. Damit entspricht die Zahl der gelieferten Impfdosen nicht unbedingt der Zahl der Dosen, die den Kantonen insgesamt zustehen. Aber das BAG sagt auch: «Es gibt Kantone, die noch nicht ihr vollständiges Kontingent ausgeschöpft haben.» Welche das sind, sagt es nicht.
Viele Fragen bleiben offen
Jeder Kanton erhält abhängig von der Einwohnerzahl und dem Anteil an älteren Risikopersonen seinen Anteil zugewiesen. Der Verteilschlüssel wird laut BAG angepasst, sobald andere Bevölkerungsgruppen mit Impfen an der Reihe sind. Wie der Verteilschlüssel genau aussieht, verrät der Bund ebenfalls nicht. Gegenüber den Kantonen hat das BAG ihn Ende Dezember transparent gemacht, was verschiedene Kantone bestätigen. Rausrücken wollen aber auch sie ihn nicht.
Zürich indes fühlt sich nach wie vor benachteiligt. Der korrigierten Statistik zufolge habe Zürich noch immer rund 7000 Impfdosen zu wenig bekommen, kritisiert die Gesundheitsdirektion.
Kleine Kantone bekommen eher zu viel
Die Differenz dürfte sich unter anderem daraus ergeben, dass kleine Kantone verhältnismässig etwas mehr Impfstoff erhalten als grosse. Denn der Bund liefert sie nur in Packungen à 975 Dosen. Da bekommen kleine Kantone halt etwas mehr statt gar nichts.
Während Zürich die Schuld für die nur langsam anrollende Impfkampagne bei den anderen sucht, zeigen sich andere Kantone pragmatisch. «Es bringt nichts, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Auch der Bund macht, was er kann», sagt der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (41, SVP), dessen Kanton letzte Woche das Schlusslicht in der Impfstatistik war und nun «das Feld von hinten aufrollen» will. «Wir sollten nun einfach zusammen alles unternehmen, um die Bevölkerung schnellstmöglich zu impfen.»