Trotz Sonnenschein und annähernd frühlingshaften Temperaturen war es kein warmer Empfang, den die Zürcher Regierung Bundesrat Alain Berset heute Nachmittag bereitete. Das Verhältnis zwischen dem grössten Kanton und dem Bund ist angespannt. Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44, SVP) wirft dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) unter anderem vor, dass ihr Kanton im Verhältnis zur Bevölkerung weniger Impfdosen erhalte als andere Kantone.
«Wir fühlen uns etwas benachteiligt», sagte Rickli an einer Medienkonferenz heute Nachmittag am Zürcher Flughafen. Gemeinsam mit Regierungspräsidentin Silvia Steiner (62) hatte sie Gesundheitsminister Alain Berset durch die Contact-Tracing-Zentrale geführt, die vergangenes Jahr am Flughafen eingerichtet wurde. Auch dem krisengeplagten Flughafen selbst stattete der Bundesrat einen Besuch ab.
Zu wenig Impfstoff
Die Zürcher Regierungsrätinnen nutzen das Treffen zur Aussprache mit dem Bundesrat – und die Medienkonferenz, um ihrer Kritik öffentlich Nachdruck zu verleihen. Bis Ende März seien dem Kanton Zürich nur Impfdosen für 185'000 Personen zugesagt worden, sagte Rickli. Das reiche gerade einmal, um die Hälfte aller über 65-Jährigen im Kanton zu impfen. Zudem arbeiteten alleine im Kanton Zürich 100'000 Personen im Gesundheitswesen. Sie sollen beim Impfen als Nächstes an die Reihe kommen.
Die Regierungsrätin widersprach denn auch Berset, der sich noch immer überzeugt zeigte, das gesetzte Impfziel zu erreichen. «Ich bin nicht ganz so zuversichtlich, dass wir es schaffen, vor den Sommerferien alle zu impfen», sagte sie. Und fügte an Berset gerichtet an: «Aber wenn Sie liefern, impfen wir.» Der Kanton Zürich habe das Potenzial, 20'000 Impfungen pro Tag durchzuführen.
Kritik auch an der Teststrategie
Berset äusserte sich nicht konkret zur Kritik der Zürcher an der Impfstoff-Verteilung. Er räumte aber ein, dass es bei der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen noch gewissen «Handlungsbedarf» gebe. Er kündigte an, dass man gewisse Punkte, welche die Zürcher Regierungsrätinnen ansprachen, prüfen werde.
Ein weiterer Kritikpunkt Zürichs betrifft die Teststrategie des Bundes. Der Bund mache bei den Massentests zu viele Einschränkungen, bemängelte Rickli. So übernimmt dieser derzeit nur die Kosten für einen Massentest in einem Betrieb, wenn dort ein besonders hohes Ansteckungsrisiko besteht. Man habe den Wunsch deponiert, die Strategie zu lockern, sagte Rickli. «Sobald der Bund sagt, er übernehme alle Kosten, bin ich überzeugt, dass sich mehr Betriebe testen werden.» Auch die Einführung von Selbsttests würde man begrüssen.
Damit rennt der Kanton Zürich bei Berset offene Türen ein. «Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen», räumte Berset im Hinblick aufs Testen ein. Und fügte an: «Wir hoffen, dass es sehr schnell geht mit der Validierung der Selbsttests.» Geht es nach ihm, sollen sich möglichst viele Menschen schon bald daheim auf Covid-19 testen können. (lha)