«Wir sind nicht auf alle Forderungen eingegangen»
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Postauto-Chef zum Konflikt:«Wir sind nicht auf alle Forderungen eingegangen»

Knatsch bei Postauto – jetzt spricht Chef Christian Plüss
«Mit Streik zu drohen ist eine Verhandlungstaktik»

Von der Streik-Drohung der Chauffeure will sich Postauto-Chef Christian Plüss (58) nicht beeindrucken lassen. Im BLICK-Interview spricht er über die gescheiterten Verhandlungen für einen Gesamtarbeitsvertrag und den Konflikt mit der Gewerkschaft Syndicom.
Publiziert: 07.10.2020 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2020 um 17:46 Uhr
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Kriegt Postauto noch die Kurve?
Foto: Keystone
Interview: Gianna Blum und Pascal Tischhauser

Die Postauto-Chauffeure sehen sich von ihrem Arbeitgeber gegängelt. Dieser hat die Verhandlungen zum Gesamtarbeitsvertrag (GAV) abgebrochen. Jetzt wollen die Fahrer streiken. Postautochef Christian Plüss (58) nimmt Stellung.

BLICK: Herr Plüss, warum sollte man heutzutage Postauto-Chauffeur werden?
Christian Plüss:
Da gibt es viele Gründe! Das ist ein sicherer Job. In der Corona-Krise hat das Interesse an Postauto zugenommen, darunter waren viele Wiedereinsteiger.

Die Chauffeure schwärmen aber kaum von ihrer Arbeitgeberin. Sie drohen mit Streik, weil Postauto die Verhandlungen um den Gesamtarbeitsvertrag abgebrochen hat.
Wir nehmen das ernst. Aber ich bin doch überrascht, dass gestreikt werden soll – wir haben in den Verhandlungen substanzielle Zugeständnisse gemacht.

Die Streikdrohung ist die Reaktion darauf, dass Postauto den Verhandlungstisch verlassen hat.
Leider hat eine der Gewerkschaften auf ihrer Position beharrt und war nicht bereit, ebenfalls Zugeständnisse zu machen. Das war keine Verhandlung mehr. Da blieb nichts anderes übrig.

Wenn Syndicom Einlenken signalisierte, könnte man an jenem Punkt weiter verhandeln, an dem die Verhandlung abgebrochen wurde?
Nein, so läuft das eben nicht. Unsere Delegation hat unsere Grenzen ausgereizt. Und wenn wir uns wieder an den Tisch setzen würden, wären das Neuverhandlungen.

Man müsste wieder bei null anfangen?
Nicht bei null, aber unser Angebot ginge sicher weniger weit als jenes, das bei Abbruch vorlag. Sollte die Gegenseite wieder mit derselben Delegation die gleichen Forderungen stellen, kommen wir weiterhin nicht zusammen.

Sie stellen auf stur?
Nein. Wir sind sehr weit entgegengekommen. Aber wir müssen wettbewerbsfähig bleiben – sonst stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Oder wir erhöhen Preise, und die höheren Abgeltungen berappen dann die Steuerzahler. Das wollen wir nicht.

Der Bundesrat hat die Personalzufriedenheit zu einem Ihrer Ziele gemacht.
Ja, aber das ist nicht das einzige Ziel. Und unser Personal ist aus meiner Sicht zum Glück sehr zufrieden. Natürlich gibt es punktuelle Verbesserungsmöglichkeiten. Diese gehen wir auch an.

Und was, wenn Ihre Chauffeure im Winter streiken und die Passagiere ab dem 1. Januar in der Kälte stehen lassen?
Momentan ist das eine Drohung. Das gehört zu den Verhandlungstaktiken.

Wie ein zwischenzeitlicher Verhandlungsabbruch. Die Streikdrohung nimmt Fahrt auf, die Juso wollen mit streiken. Muss Sie Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga an den Verhandlungstisch zurückbeordern?
Unternehmerisch kann ich es nicht verantworten, bei einem Defizit für 2020 von mehr als 40 Millionen Franken 50 Millionen an die Chauffeure zu verteilen, für die es keine Grundlage gibt.

Sie lassen es also auf einen Streik ankommen.
Sehen Sie, ich bin auch ein Advokat des Steuerzahlers. Tatsache ist, dass wir vor zwei Jahren eine völlig andere Situation hatten und in der Zwischenzeit substanzielle Verbesserungen für die Fahrer erzielen konnten.

Genau das bezweifeln die Gewerkschaften.
Eine Gewerkschaft, die andere nicht.

Laut Ihrem Vorgänger wurden die Fahrer ausgepresst. Offenbar ist die versprochene Wiedergutmachung bei den meisten Chauffeuren nicht angekommen. Die Fahrer sollen das Geld bei ihren Chefs einfordern. Das klingt kompliziert.
Sollte das das Problem sein, lösen wir das. Wir sind manchmal ein unnötig kompliziertes Unternehmen. Aber Pauschalforderungen in zweistelliger Millionenhöhe können wir nicht entsprechen. Erst recht nicht in diesem schwierigen Jahr.

Corona hat vielen das Geschäft verhagelt. Ihr Mutterunternehmen hatte die Postschalter aber nach wenigen Wochen mit Plexiglas ausgestattet. Warum fehlen diese in Postautos noch?
Wir haben rasch den Ticketverkauf in den Postautos eingestellt, die Türe beim Fahrer geschlossen und vorne abgesperrt. Meines Wissens kam es nie zu einer Ansteckung eines Chauffeurs. Jetzt, wo der Ticketverkauf wieder läuft, stellt sich die Plexiglas-Frage natürlich. Aber bei uns betrifft das gleich 2500 Fahrzeuge. Wir haben eine Lösung mit einem flexiblen Plexiglasschutz gefunden. Dieser lässt den Fahrern viel Freiheit. In den nächsten Wochen werden die Fahrzeuge ausgerüstet.

Wie geht es in Corona-Zeiten weiter mit Postauto?
Stand heute sind wir seit August bei einer Auslastung von 90 Prozent und gehen fürs kommende Jahr davon aus, dass es wieder einigermassen normal verlaufen könnte. Dann sollten wir auch wieder eine schwarze Null schreiben dürfen.

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