Postauto-Chauffeure drohen mit Streik
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Stopp gelber Staatskarossen:Postauto-Chauffeure drohen mit Streik

Zulagen nicht bezahlt, Verhandlungen geplatzt
Postauto-Chauffeure drohen mit Streik

Sie wurden öffentlich beschimpft, weil ihre Chefs die Steuerzahler betrogen. Sie wurden um Zuschläge geprellt und «ausgepresst», während sich ihre Manager über Boni freuten. Jetzt sollen die Postauto-Chauffeure einfach weiter alles schlucken. Doch sie drohen mit Streik.
Publiziert: 05.10.2020 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2020 um 07:39 Uhr
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Kriegt Postauto noch die Kurve?
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Im Zusammenhang mit dem Postauto-Bschiss müssen sich sechs Personen wegen Leistungsbezugs-Betrug verantworten. Abgesehen davon ist es ruhig geworden um die gelben Busse. Über Chef Christian Plüss (58) und seine Kollegen in der Geschäftsleitung sind die Chauffeure voll des Lobes. «Da ist ein Kulturwandel spürbar», sagt ein Fahrer zu BLICK. Ein anderer: «Die sind glaubs schon recht. Bei Plüss habe ich jedenfalls ein sehr gutes Gefühl.»

Weiter unten in der Postauto-Hierarchie sieht das anders aus. In den Mittelbau, der zum Teil mit dabei war, als der 200-Millionen-Subventionsbetrug lief, fehlt das Vertrauen. Denn gleichzeitig mit dem Bschiss waren die Chauffeure «ausgepresst» worden, wie der damalige Postauto-Lenker Thomas Baur (56) im BLICK-Interview vor zwei Jahren zugab. Der Konzern hatte seinen Chauffeuren Zulagen und Spesen vorenthalten. Baur versprach Besserung – glaubte man seinen Worten, hatten die Fahrer bis auf wenige Ausnahmen ihr Geld schon zurückbekommen.

Chauffeure sollen bedroht werden

Bloss verhält es sich in der Realität anders: Nur in Ausnahmefällen ist das auf fünf Jahre zurückgeforderte Geld bei den Chauffeuren angekommen. Postauto will die Fahrer mit einer Pauschale für zwei Jahre abspeisen. Eine grosse Ausnahme ist der Jura, wo 1,4 Millionen Franken flossen.

In anderen Regionen streiten die Chauffeure mit Hilfe der Gewerkschaften noch immer ums Geld für Pausen, Spesen und Anfahrtswege. Zudem ist die Neuverhandlung eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) gescheitert, weil Postauto vom Verhandlungstisch wegfuhr.

Nicht von Postauto überfahren lassen

Und das ist nicht alles. Die Chauffeure sollen Ausnahmen beim Arbeitsgesetz akzeptieren, sonst würden sie künftig miserable Einsatzpläne erhalten, sollen sie von ihren Teamleitern gewarnt worden sein. Chauffeure berichten zudem, dass sie aufgefordert wurden, ihre Unterschrift zurückzunehmen, mit der sie die Gewerkschaft Syndicom mandatiert hatten, sie zu vertreten. Täten die Fahrer das nicht, würden beispielsweise strittige Ferientage doch nicht gutgeschrieben.

Doch Syndicom lässt sich vom gelben Goliath nicht überfahren. «Das Gesetz sieht vor, dass die Arbeitnehmer bei den Ausnahmen im Arbeitsgesetz ein Mitspracherecht haben», sagt Sprecher Christian Capacoel. Darauf bestehe man. Die Gewerkschaft habe sich für einen guten GAV eingesetzt. «Den wollen wir noch immer. Wir wünschen uns darum, dass der gelbe Riese die Verhandlungen weiterführt.»

Elternurlaub für über 50-Jährige

Postauto widerspricht der Darstellung von Syndicom, dass die versprochenen Verbesserungen nicht erfolgt seien, macht aber keine Angaben zu Zahlungen und schreibt BLICK von Massnahmen, mit denen die Arbeitsqualität der Fahrerinnen und Fahrer verbessert worden sei. Die Verkehrssparte des gelben Riesen weist zudem den Vorwurf zurück, Druck auszuüben. Es sei vielmehr die Gewerkschaft, die Druck aufsetze.

Ausserdem betont die Post, beim GAV einen verlängerten Vaterschaftsurlaub, erweiterte Ansprüche beim Mutterschafts- und Elternurlaub sowie ab 20 Dienstjahren eine Treueprämie von zwei Wochen Ferien angeboten zu haben.

Nur: Ein grosser Teil der Chauffeurinnen und Chauffeure hat die 50 überschritten und dürfte kaum mehr vom Elternurlaub profitieren können. Und in gewissen Regionen haben Fahrer schon heute eine höhere Treueprämie.

Was nun?

«Bis Ende Jahr haben wir Friedenspflicht», sagt Capacoel. Ab 1. Januar sehe das anders aus. «Streik ist dann eine mögliche Option», betont er. Darüber würden die betroffenen Chauffeure entscheiden. Man wolle aber eine Verhandlungslösung, die auf den bereits erzielten Fortschritten basiere.

Fragt man jedoch verschiedene Chauffeure, heisst es: «Man tritt uns mit Füssen.» Und: Da könnten die Fahrer auch auf die Bremse treten. Wenn «die oben» Hunderte Millionen erschwindelten, bei den kleinen Fahrern aber geizten, brauche es einschneidende Massnahmen. Also Streik? «Ja!», warnen sie.

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