Während die Klimaaktivisten von Renovate Strassen blockieren, stürzen die Grünen ab. Ihr Wähleranteil droht unter 10 Prozent zu fallen, wie die letzte Wahlumfrage zeigt. Das wäre ein Minus von rund 3,5 Prozentpunkten – für Schweizer Verhältnisse eine enorme Verschiebung.
Fragt sich, inwiefern die Klimakleber für den erwarteten Grünen-Absturz mitverantwortlich sind. Mehrmals pro Woche stören sie den Verkehr, aber auch Golfplätze oder Klassikkonzerte nutzen die Klimademonstranten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Sie gehen den Schweizern derart auf die Nerven, dass sie laut SRG-Wahlbarometer mittlerweile als drittgrösstes Ärgernis der Bevölkerung gelten. Und oft werden sie mit den Grünen assoziiert.
Entsprechend hart ist das Urteil der Blick-Community: Schuld am Grünen-Absturz seien die Klimakleber. Ein Vorwurf, den Max Voegtli (30) allerdings weit von sich weist. Der vor Gericht verurteilte Klimakleber wurde national bekannt, weil er nach einer Klebeaktion ins Flugzeug gestiegen und nach Mexiko in die Ferien geflogen ist. Er sagt: «Die Klimakleber tragen keine Schuld am Absturz der Grünen.» Dafür gebe es keine Beweise.
Auch Politologe Lukas Golder glaubt nicht, dass die Grünen-Wähler wegen Voegtli und Co. nun zur SVP überlaufen. Zumal sich die Grünen aus seiner Sicht sehr geschickt von den Klimaklebern distanziert haben, indem sie sagen, dass sie die Sorgen der Aktivisten teilen, selbst aber auf den politischen Prozess setzen.
Klimakleber können nicht mobilisieren
Dennoch gibt der Co-Leiter vom Forschungsinstitut GFS Bern zu bedenken, dass die Aktivisten von Renovate Switzerland in weiten Teilen der Bevölkerung eher negative Gefühle – eben vor allem Ärger – hervorrufen. «Das steht ganz im Gegensatz zu 2019, als die grosse Bewegung der Klimajugend positiv aufgenommen wurde und viele Menschen mitgerissen hat. Das hat zur grossen Mobilisierung zugunsten der Grünen beigetragen.» So eine Bewegung fehle dieses Jahr, so Golder.
Aus Sicht Voegtlis sind die Grünen für ihr Wahlergebnis selbst verantwortlich. Zudem ist für ihn klar: «Der institutionelle Weg ist angesichts des Ausmasses der Katastrophe viel zu langsam.» Ziviler Ungehorsam sei Pflicht. Jahrzehnte des herkömmlichen Protests hätten nichts gebracht. «Es gibt keinen anderen Ausweg, wir müssen als Gesellschaft wachgerüttelt werden», sagt er. Nur dank der radikalen Aktivisten bleibe das Thema auf der Tagesordnung, rechtfertigt er die Klebeaktionen. Es brauche eine Bürgerbewegung, um Druck auszuüben, bis die Politik endlich handle. (rba)