Gerhard Pfister (58) brachte es auf den Punkt. Mit der Ankündigung des Bundesrats, am Freitag weitere Massnahmen gegen Corona zu beschliessen, sei eine unwürdige Debatte entbrannt: «Westschweiz gegen Deutschschweiz, Kantonsregierungen gegen den Bundesrat, alle gegen alle und jeder nur für sich», sagte er. Für den CVP-Chef hat die Schweiz damit einen Tiefpunkt in der Krisenbewältigung erreicht.
In diversen Departementen der Bundesverwaltung glaubte man deshalb, der Streit gehe in der Bundesratssitzung weiter. Alle stellten sich auf eine lange Sitzung ein – doch die Landesregierung einigte sich rasch.
Kompromiss vorbereitet
BLICK weiss: Im Vorfeld der Sitzung bereiteten Justizministerin Karin Keller-Sutter (56, FDP) und Gesundheitsminister Alain Berset (48, SP) einen Kompromiss vor, mit dem auch Simonetta Sommaruga (60, SP) leben konnte. Die Bundespräsidentin war die treibende Kraft hinter der Forderung, stärker durchzugreifen.
Glücklich ist auch die Walliserin Viola Amherd (58, CVP). Schliesslich gehört Amherds Tourismuskanton zu jenen, die den Beizen erlauben können, abends bis 23 Uhr zu öffnen. Sonst müssen Restaurants, Bars, Läden, Museen, Bibliotheken sowie Sport- und Freizeitanlagen um 19 Uhr schliessen. Gastrobetriebe dürfen aber am Sonntag öffnen sowie an Heiligabend und Silvester bis 1 Uhr offen bleiben.
Westschweizer Kantone plus Obwalden
Gemäss Bundesrat lässt es die Corona-Situation in Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Obwalden, Waadt und Wallis zu, grosszügiger zu sein. Die Westschweiz gehört damit zu den Gewinnern der Sitzung vom Freitag. Ihre erfolgreichen Bemühungen, die zuvor sehr hohen Zahlen herunterzubringen, wurden belohnt. Man goutiert, dass die Romandie mit regionalen Lockdowns Opfer brachte.
Jetzt können also sieben Kantone ihren Beizen ermöglichen, zu normalen Zeiten Abendessen anzubieten. Sollte es sich in einem dieser Kantone aber zeigen, dass die Ansteckungen zunehmen, gilt auch hier die 19-Uhr-Regel.
«Äusserst kritische Phase»
Aus verschiedenen Departementen heisst es zudem, es gebe in der Regierung einen Grundkonsens darüber, dass die aktuellen Infektionszahlen derart hoch seien – am Freitag meldete der Bund 5136 Neuansteckungen –, und dass gehandelt werden müsse. Denn Verdoppelungen innert einer Woche, wie wir sie schon hatten, brächten unser Gesundheitssystem an seine Grenzen. «Das müssen wir verhindern», betonte Berset vor der Presse, und Sommaruga machte klar: «Die Schweiz befindet sich in einer äusserst kritischen Phase.»
Um die Einschränkungen wirtschaftlich vertretbar zu machen, erhöht der Bund seine Hilfsgelder ausserdem um 1,5 Milliarden Franken. Von diesen Mitteln können auch Unternehmen in französischsprachigen Kantonen, die bereits strenge Massnahmen kannten, rückwirkend profitieren.
Die beiden SP-Bundesräte schoben Finanzminister Ueli Maurer (70) während der Medienkonferenz am Freitag ein Papier zu, mit dem sie den SVPler ermahnten, dieses Zückerli für die Romandie nicht zu vergessen. Als er es verkündete, strahlten die Genossen – doch eitel Sonnenschein herrscht trotzdem nicht im Bundesrat.