Keine Wohnungen für Saisonangestellte – Gemeinden reagieren
«Das ist eine dramatische Entwicklung»

In Tourismusgebieten fehlen Wohnungen für Saisonangestellte. Die Gemeinden greifen deshalb in den Markt ein. Denn die Wohnungsknappheit verschärft den Fachkräftemangel.
Publiziert: 28.02.2025 um 18:15 Uhr
1/5
Wer in Zermatt ein neues Hotel bauen will, muss Wohnraum für Angestellte vorweisen.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Wohnungsknappheit in Schweizer Tourismusgebieten erschwert Rekrutierung von Fachkräften
  • Gemeinden greifen in den Wohnungsmarkt ein, fördern Genossenschaften
  • Leerwohnungsquote in Tourismusgemeinden halbierte sich von 1,5 auf 0,75
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
LucienFluri05.jpg
Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Der Lohn ist häufig nicht mehr das wichtigste Kriterium bei Bewerbungsgesprächen in Schweizer Tourismusgebieten. «Die wichtigere Frage ist oft, ob es eine Wohngelegenheit gibt», sagt Thomas Egger (57). Der Walliser ist Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). Er spricht von einer Wohnungsknappheit, die in einigen Tourismusregionen grösser ist als in Zürich oder Genf. 

Besonders knapp sieht es beim Wohnraum für Angestellte von Hotels oder Bergbahnen aus. «Der Zweitwohnungsmarkt im Alpenraum ist leer geräumt», so Egger. «Das ist eine dramatische Entwicklung.»

Einerseits heisst das für viele Einheimische, dass sie nur mit Mühe eine bezahlbare Wohnung finden. Drastischer ist die Lage für Saisonangestellte im Tourismus. Da sie nur kurz bleiben, erhalten sie eine Wohnung oft nicht. «Die Vermieter wollen Dauermieter», sagt Egger. Die Konsequenz: «Die Rekrutierung von Fachkräften ist massiv erschwert.» Teure Wohnungen kommen in Tourismusberufen – wie der Gastronomie – oft nicht infrage. 

Gemeinden greifen in den Markt ein

Ab einer Leerwohnungsziffer von 1,0 herrscht Wohnungsnot. 0,0 beträgt sie in der Lenk, 0,4 in Zermatt. In allen Tourismusgemeinden hat sich die Leerwohnungsquote zwischen 2020 und 2023 von 1,5 auf 0,75 halbiert. Die Gründe: Zum einen schränken schärfere Raumplanungsgesetze die Bautätigkeit ein. Zum andern ist seit Covid eine vermehrte Nachfrage nach Wohnungen in den Bergen bemerkbar. 

In erster Linie sieht zwar auch Egger die Arbeitgeber in der Pflicht. Die Bergbahnen Grimentz VS etwa haben Wohnungen angemietet für Angestellte, einige Hotels machen dies ebenfalls. Inzwischen greift die öffentliche Hand aber zunehmend in den Markt ein und erlässt teils sogar Regulierungen. Das zeigen folgende Beispiele: 

  • Verschiedene Gemeinden fördern den gemeinnützigen Wohnungsbau, etwa Genossenschaften. Das können sie auch, wenn sie Land im Baurecht abgeben. Im Bündnerland ist der Kanton daran, Wohnbaugenossenschaften in Berggebieten zu fördern, damit diese Wohnungen zu attraktiven Konditionen anbieten können.

  • Weit geht die Gemeinde Sumvitg GR: Sie hat eine Zone für Personalwohnungen erlassen.

  • In Zermatt VS gibt es eine Planungszone: Die Hoteliers müssen vor Erteilung der Baugenehmigung den Wohnraum für Angestellte nachweisen.

  • Die Gemeinde Obergoms VS hat ungenutzte Militärbaracken zu Zimmern für Angestellte umfunktioniert.

  • Interlaken und Unterseen BE schränken die temporäre Vermietung von Erstwohnungen über Airbnb ein.

Ist es nicht problematisch, wenn die öffentliche Hand zunehmend in den Markt eingreift? In erster Linie seien die touristischen Unternehmen selbst in der Pflicht, sagt Egger. Dennoch seien die Eingriffe gerechtfertigt. «Ein Marktversagen liegt vor», so Egger. 

Am wichtigsten und erste Massnahme sei so oder so, dass das Problem diskutiert werde. Da seien auch die Gemeinden in der Pflicht. Sie hätten die Möglichkeit, die nötigen Akteure an einen Tisch zu bringen. Egger selbst will dies auch tun, im April organisiert die Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete eine Tagung zum Thema. Hier soll anhand von Beispielen aufgezeigt werden, wie sich das Problem entschärfen lässt. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?