Keine Lösung mit Brüssel
Junge sollen Europa-Initiative stemmen

Die Blockade überwinden und den Bundesrat zur Lösung des Konflikts mit Brüssel zwingen: Trotz vernichtender Kritik der Parteien setzt die Operation Libero weiter auf ihre Initiative. Und auf die Studierenden.
Publiziert: 10.07.2022 um 09:34 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2022 um 17:36 Uhr
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Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero: «Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass wir unsere Zukunft einem planlosen Bundesrat überlassen können.»
Foto: Keystone
Simon Marti

Die Operation Libero hat den Parteien einen ganz besonderen Gefallen getan. Als die nationale Bürgerbewegung im vergangenen Herbst lautstark eine wie auch immer geartete Europa-Initiative ankündigte, bot dies den Spitzen von SP, FDP und Mitte eine willkommene Abwechslung zum parteiinternen Gezänk um den Kurs in der Europapolitik.

Denn für einmal war man sich einig: Der Vorschlag der Operation Libero, den Bundesrat per Abstimmung zu einer Einigung mit Brüssel zu zwingen, sei so ziemlich der schlechteste aller schlechten Ansätze.

Keine Bundesratspartei unterstützt das Vorhaben

Keine Bundesratspartei wollte etwas von einer solchen Vorlage wissen. Einzig die Grünen erwärmten sich für die Idee – aber die sitzen ja bekanntlich nicht in der Regierung.

Aller Häme zum Trotz: Acht Monate nach der Ankündigung steht der Initiativtext jetzt tatsächlich fest. Ende Juni verabschiedete der Vorstand der Operation Libero in Bern die letzten Änderungen. Das Sitzungsprotokoll und der Initiativtext liegen SonntagsBlick vor.

Verlangte der ursprüngliche Entwurf noch, dass der Bundesrat drei Jahre nach einer Annahme der Initiative eine Lösung mit der EU präsentieren müsse, ist diese Forderung nun entschärft. Der Bundesrat soll lediglich verpflichtet werden, einen «Abschluss ohne Verzögerung» anzustreben, heisst es. Die Kernforderung aber bleibt bestehen: Die Regierung wäre zu Verhandlungen und zum Abschluss eines Vertrags mit der EU gezwungen.

«Wir definieren nicht das Mittel, sondern das Ziel»

Zuvor aber sollen Parteien und Verbände unter Druck gesetzt werden, wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht: «Wieso seid ihr nicht dabei, wenn die Initiative euren Zielen entspricht? Stehen parteipolitische Überlegungen über der inhaltlichen Lösung in einem der zentralsten Dossiers dieses Jahrzehnts?»

Während die Operation Libero bereits an der Argumentationslinie eines kommenden Abstimmungskampfs arbeitet, rührt sie die heiklen inhaltlichen Fragen nicht an – jene Punkte also, an denen das Rahmenabkommen im vergangenen Jahr gescheitert ist: Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und Streitbeilegung, darauf gehen die Initianten nicht ein.

«Wir definieren bewusst nicht das Mittel, sondern das Ziel», sagt Sanija Ameti (30), Co-Präsidentin der Operation Libero. Der Bundesrat sei frei, dem Parlament und dem Volk die beste Lösung zu präsentieren. «Wir zwingen die Regierung einzig, dass sie endlich eine Lösung vorlegt.»

Selbst Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union wären nach einer Annahme der Initiative möglich, wie die Initianten festhalten. Nicht, dass ein solcher Schritt in absehbarer Zeit Aussicht auf eine politische Mehrheit hätte. Aber alle Ideen sollen wieder auf den Tisch, um die Blockade endlich zu überwinden. Nur eine Klärung der institutionellen Fragen garantiere der Schweiz politische und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit, ist Libero-Co-Präsidentin Ameti überzeugt, «damit sie alte Abkommen erneuern und neue abschliessen kann».

Von Forschungswelt abgeschnitten

Etwa in der Wissenschaft. «Wissen ist unser wichtigster Rohstoff, doch derzeit sind wir von der Forschungszusammenarbeit und von Erasmus abgeschnitten und den strategischen Interessen der EU ausgeliefert. Wir sind nicht souverän, sondern handlungsunfähig», kritisiert Ameti.

Mag sein, doch derzeit steht nicht einmal Ametis eigene Partei, die GLP, hinter dem Initiativprojekt. Trotz intensiver Gespräche mit den Spitzen von Verbänden und Parteien ist die Schar der Verbündeten in den letzten Monaten kaum gewachsen. «Ob sich noch die eine oder andere Partei offen zur Initiative bekennt, wird sich zeigen. Unsere Tür ist offen», sagt die Co-Präsidentin der Operation Libero. Das Parlament habe weiterhin eine Chance, eigene Wege aus der Sackgasse einzuschlagen. Dann käme es auch nicht zur Abstimmung.

Doch «aus Sorge um den Machterhalt» seien die Bundesratsparteien dazu weder willens noch in der Lage, vermutet Ameti. «Wir sind noch so froh, wenn es die Initiative letztlich nicht braucht. Doch es steht zu viel auf dem Spiel, als dass wir unsere Zukunft einem planlosen Bundesrat und einem mutlosen Parlament überlassen können.»

Studierendenschaften unterstützen Vorhaben

Auf einen Unterstützter jedoch kann die Operation Libero sicher zählen: Auf den Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS). «Die Delegierten unseres Verbandes haben unterschiedliche politische Haltungen. Aber in dieser Frage sind wir uns alle einig: Die junge Generation braucht dringend eine Lösung der Europa-Frage. Darum stehen wir hinter dieser Initiative», sagt Vorstandsmitglied Maxime Barthassat. Für den VSS steht dabei das Austauschprogramm Erasmus im Vordergrund.

«Wir haben keinen Zugang mehr zum Erasmus-Programm. Das heisst, dass es für Schweizer Studierende viel teurer ist, ein Auslandsemester zu absolvieren, als noch vor wenigen Jahren.» Mit der Folge, dass sich nur noch privilegierte Studierende so etwas leisten könnten.

An Selbstbewusstsein fehlt es den Studenten jedenfalls nicht. «Wir vertreten 120 000 Studierende. Wir haben an verschiedenen Universitäten bereits Gruppen, die bereit und motiviert sind, die nötigen Unterschriften zu sammeln», so VSS-Vorstand Barthassat.

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