Nach 18 Wahlgängen, zweieinhalb Stunden später als vorgesehen, präsentierte die SP-Fraktion am gestern Nachmittag zwei Männer, die im Dezember als mögliche Nachfolger von Bundesrat Alain Berset (51) antreten sollen: den Basler Regierungspräsidenten Beat Jans (59) und den Bündner Lobbyisten Jon Pult (39).
Die Strategie der SP-Frauen, Evi Allemann (45) aufs Ticket zu hieven, scheiterte nach dem 15. Wahlgang, als die Berner Regierungsrätin das Handtuch warf. Beat Jans war bereits nach dem 10. Wahlgang gesetzt. Zum Schluss lieferten sich Roger Nordmann (50) und Jon Pult ein Duell um den zweiten Platz.
Nicht alle über zwei Männer als Nachfolger erfreut
Anna Rosenwasser (33), queere Aktivistin und neu gewählte Nationalrätin aus Zürich, spottete im Vorfeld der Abstimmung auf Instagram über den «Tag des stumpfen Löffels» – und parodierte damit die viel zitierte «Nacht der langen Messer» vor den Bundesratswahlen, bei der zuweilen in letzter Minute raffinierte Manöver ausgeheckt werden.
Rosenwasser eskortierte Frontfrau Tamara Funiciello nach der Niederlage der SP-Frauen aus dem Bundeshaus. Es war der ausdrückliche Wunsch der 33-Jährigen gewesen, «175 Jahre Männerherrschaft zu brechen», die Berset-Nachfolge also nicht den männlichen Genossen zu überlassen. Funiciello bekräftigte ihre Parole am Samstag. Ohne Erfolg. Am Ende bescherte die SP-Fraktion Evi Allemann deren zweite Niederlage bei einer Bundesratskandidatur in 13 Monaten – obwohl die Frauen dort die Mehrheit haben.
Funiciello, die Ladykillerin? «Wir wussten, dass es schwierig wird», so die Co-Chefin der SP-Frauen zu SonntagsBlick. «Evi Allemann ist ein Achtungserfolg gelungen. Wir kämpfen weiter!»
Wer sind die anderen Verlierer?
- Daniel Jositsch (58). Der beim Stimmvolk beliebte Zürcher SP-Ständerat blieb in der eigenen Fraktion ein Aussenseiter. Ungeachtet aller Schoggiriegel, mit denen sich der diätbewusste Anwalt aus Zürich in der Galerie des Alpes zu stärken suchte, erhielt er in der ersten Runde nur vier Stimmen – hatte also nicht einmal seinen Heimatkanton (acht Stimmen) geschlossen hinter sich. Im zweiten Wahlgang kam er zunächst auf neun Stimmen, später lediglich auf fünf. Am Ende zog er zerknirscht von dannen: «Kein Kommentar.» Offenbar haben ihm die Genossinnen nicht verziehen, dass er letztes Jahr angetreten war, obwohl die SP ausdrücklich eine Frau als Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga (63) wollte. Die Co-Präsidentin der SP Zürich, Priska Seiler Graf (55), zeigte sich von Jositschs Abschneiden überrascht: «Dieses schlechte Ergebnis hat er nicht verdient.»
- Matthias Aebischer (56). Der ehemalige SRF-Moderator steigerte sich zwar im zweiten Wahlgang von vier auf acht Stimmen, blieb aber letztlich chancenlos. Aebischer: «Es war ein intensi- ver und respektvoller Wahlkampf.»
- Roger Nordmann (50) lag anfangs mit elf Stimmen sogar leicht in Führung. Doch am Ende konnte sich der ehemalige SP-Fraktionschef nicht durchsetzen. Immerhin zeigte er sich nervenstark und hielt am längsten durch. Erst im 18. Wahlgang schlug Jon Pult seinen Westschweizer Konkurrenten mit fünf Stimmen Vorsprung. Nordmanns Kommentar gegenüber SonntagsBlick: Er sei nun für neue Abenteuer zu haben.
Unbeantwortete Frage
Nach der Wahl treten Jans und Pult so staatstragend vor die Medien, als seien sie bereits gewählte Magistraten. Bloss keinen Fehler machen, auf keinen Fall Kante zeigen – das scheint nun die Strategie der beiden zu sein.
Sie gaben deshalb vor allem geschliffene Statements von sich. Pult, der als Lobbyist und PR-Berater empfiehlt, Menschen mit packenden Geschichten zu begeistern, stilisierte sich bescheiden als Teil der Schweizer Vielfalt: «Eine Stärke, die wir in Kohäsion verwandeln können.» Beat Jans wiederum hob seine Exekutiv-Erfahrung hervor – und betonte seine Rolle als Brückenbauer, der alles tun wolle, damit Stadt und Land nicht weiter auseinanderdriften.
Wer nach der Nominierung Klartext erwartet hatte, wurde enttäuscht. Was sie besser machen wollen als Alain Berset, liessen beide Kandidaten unbeantwortet. Und die Frage, welche Kröte die Gewerkschaften schlucken müssten, damit die beiden EU-Turbos bei den Verhandlungen mit Brüssel vorwärtsmachen können, beantwortete Jans so: «Das entscheidet der Gesamtbundesrat.» Pult erklärte, er sehe es genauso, und ergänzte: «Es geht nicht ums Krötenschlucken, sondern um gute Kompromisse.»
Wer kommt bei den andere Fraktionen besser an?
Auch beim Reizthema Olympische Winterspiele begab sich keiner der beiden Bundesratskandidaten aufs Glatteis. Pult wies nicht ohne Stolz darauf hin, er habe in Graubünden Olympische Winterspiele zweimal erfolgreich bekämpft. Aber: «Der neue Anlauf ist für mich eine Blackbox.» Sobald ein solides Konzept vorliege, wie Winterspiele ohne Belastung der Steuerzahler funktionieren können, werde er das «vorurteilsfrei anschauen». Jans gestand, er habe sich noch keine Meinung gebildet. Noch sind es zweieinhalb Wochen bis zur Ergänzungswahl des Bundesrates am 13. Dezember. Doch diese Tage sind entscheidend. Es zählt, wer bei den anderen Fraktionen besser ankommt: der umgängliche Bündner Pult, der auch einen italienischen Pass besitzt und in der lateinischen Schweiz gut ankommt; oder der Basler Jans, der als Umweltpolitiker zwar mit der Bauernlobby fremdelt, dafür als Vertreter eines städtischen Geberkantons für die Bürgerlichen attraktiver wirkt.
Bei Jans’ Familie in Basel wurde das lange Messer schon gestern Abend ausgepackt. Beat Jans ist mit der US-Amerikanerin Tracy (51) verheiratet. Sie feierten mit 30 Freunden Thanksgiving nach.
Auf den Tisch kamen zwei Truthähne à acht Kilogramm.