Die Stadt Zürich kann die Einführung ihrer City Card für Sans-Papiers vorantreiben. Die Stimmberechtigten haben für die Vorbereitung der Karte einen Kredit über 3,2 Millionen Franken bewilligt. Der Entscheid fiel mit 51, 6 Prozent allerdings knapp aus.
Die Züri City Card soll dereinst die Identität und den Wohnsitz einer Person bestätigen, aber keine Informationen zur Herkunft und zum Aufenthaltsstatus enthalten. Sie soll einen – teils vergünstigten – Zugang zu Informationen, Dienstleistungen und Veranstaltungen bieten. Sie soll gemäss Stadtrat gerade auch Sans-Papiers einen einfacheren Zugang zu städtischen und privaten Angeboten eröffnen.
«Rechtswidrig» und «wertlos»
Bürgerliche Parteien hatten sich gegen den Stadtausweis ausgesprochen. Dieser sei sowohl «wertlos» als auch «rechtswidrig»: Für das Ausländer- und Migrationsrecht sei der Bund zuständig – die Stadt habe gar keine Kompetenzen, um etwa das Leben der Sans-Papiers zu erleichtern. Sie hatten deshalb das Referendum ergriffen.
Mit dem bewilligten Rahmenkredit wird die Stadt die Einführung der City-Card nun erst einmal vorbereiten. Diese Arbeiten würden sich aufwendig gestalten, hatte der Stadtrat vor der Abstimmung angekündigt. Vier, fünf Jahre dürften diese dauern. Inhaltlich ist noch vieles unklar: Die konkreten Nutzungsmöglichkeiten werden jetzt erst geprüft und festgelegt.
Nein zum Stimmrechtsalter 16
Weniger Zustimmung gab es in Zürich für zwei Vorlagen auf kantonaler Ebene: Zum einen scheiterte die Senkung des Stimmrechtsalters von 18 auf 16 Jahren mit knapp 65 Prozent Nein-Stimmen-Anteil deutlich. Keine Chance hatte auch die SP-Initiative für eine Elternzeit von 36 Wochen. Sie wurde mit dem genau gleichen Resultat abgelehnt.
Weniger umstritten war die Erwähnung des Klimaschutzes in der Verfassung, die mit über 67 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde. Auch das Bürgerrechtsgesetz, das die Einbürgerungskriterien für Ausländerinnen und Ausländern regelt, wurde sogar mit 69 Prozent Ja-Stimmen angenommen.
SVP gewinnt in Graubünden ...
Den Walsonntag in Graubünden wird die SVP mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Im Grossen Rat konnte sie dank einem neuen Wahlsystem die Anzahl ihrer Sitze fast verdreifachen – von 9 auf 25.
Massiv Sitze abgeben mussten die Mitte und die FDP. Die Mitte hält noch 34 Sitze. Das sind ganze 19 Sitze weniger, als BDP und CVP vor vier Jahren zusammen erzielten. Sie bleibt dennoch stärkste Fraktion. Auch die FDP musste einstecken und kommt neu auf 27 Sitze (-9). Sie bleibt die zweitstärkste Kraft, muss sich den Platz aber mit Links-Grün teilen.
... und verliert dort auch
Umgekehrte Vorzeichen bei den Regierungsratswahlen: Dort konnten Mitte, FDP und SP ihre Sitze in der fünfköpfigen Exekutive verteidigen. Der SVP ist es auch im vierten Anlauf nicht gelungen, in die Regierung zurückzukehren.
Alle bisherigen Regierungsräte Marcus Caduff (Mitte), Jon Domenic Parolini (Mitte) und Peter Peyer (SP), wurden wiedergewählt. Neu in die Regierung einziehen Carmelia Maissen (Mitte) und Martin Bühler (FDP), welche für ihre Parteien Sitze von ausscheidenden Regierungsräten verteidigen.
Bühler gar mit einem Glanzresultat: Er machte nach Caduff am zweitmeisten Stimmen von allen Kandidierenden. Kein Wunder, denn er ist sehr bekannt: Er hatte als Bündner Corona-Papst, der auf zuerst Massentests setzte und so zum schweizweiten Vorbild wurde, national Schlagzeilen gemacht.
Resultate aus den anderen Kantonen
Aargau: Im Kanton Aargau bezahlen grosse Unternehmen künftig deutlich tiefere Gewinnabgaben und natürliche Personen etwas weniger Steuern. Das Volk hat der Änderung des Steuergesetzes mit einem Ja-Anteil von fast 57 Prozent zugestimmt. Die Initiative zur Amtsenthebung von Behördenmitgliedern fand sogar mit einem Ja-Anteil von über 84 Prozent Zustimmung.
Basel-Landschaft: Im Kanton Basel-Landschaft erhalten bereits seit zwei Jahren von der Sozialhilfe abhängige Personen künftig monatlich 40 Franken weniger vom Grundbedarf. Die Teilrevision des Sozialhilfegesetzes wurde mit einer Ja-Mehrheit von fast 64 Prozent beschlossen. Sogar mit über 86 Prozent Ja-Stimmen wurde eine Verfassungsänderung genehmigt, die Ombudspersonen Nebenbeschäftigungen erlaubt.
Bern: Im Kanton Bern werden die Volksrechte gegenüber den Instrumenten des Parlaments gestärkt. Die Stimmberechtigten stellten sich mit 85,4 Prozent Ja hinter eine Änderung der Kantonsverfassung. Künftig kann demnach ein Volksvorschlag nicht mehr durch Eventualanträge des Parlamentes ausgehebelt werden.
Freiburg: Der Kanton Freiburg kann seine aktive Bodenpolitik weiterführen. Die Stimmberechtigten nahmen die entsprechende Vorlage mit einer Dreiviertels-Mehrheit deutlich an. Das Geschäft kam vors Volk, weil es mit einer Transaktion von total 43 Millionen Franken dem obligatorischen Finanzreferendum unterlag.
Genf: Im Kanton Genf sollen die nach Leistungsniveau getrennten Klassen auf Sekundarschulstufe nicht abgeschafft werden. Die Stimmberechtigten verwarfen eine Schulreform mit gemischten Klassen knapp mit 50,8 Prozent Nein-Stimmen.
Jura: Im Kanton Jura haben mehr als vier von fünf Stimmenden eine Volksinitiative zur Senkung der Motorfahrzeugsteuern angenommen.
Neuenburg: Im Kanton Neuenburg werden Reiche künftig nicht stärker besteuert. Die Stimmberechtigten haben am Sonntag eine entsprechende Initiative der Partei der Arbeit mit 57,8 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Auch eine Initiative zur Schaffung eines kantonalen Rechnungshofs wurde verworfen, und zwar mit 67,3 Prozent Nein-Stimmen.
Schaffhausen: Im Kanton Schaffhausen können Massnahmen für den Klimaschutz künftig aus einem neuen Fonds mitfinanziert werden. Die Stimmberechtigten haben einer entsprechenden Vorlage mit 56,4 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt. Chancenlos war hingegen eine Volksinitiative für eine Erhöhung der Vermögenssteuern, die mit fast 70 Prozent Nein-Stimmen verworfen wurde.
Solothurn: Im Kanton Solothurn erhalten Flüchtlinge gleich viel Sozialhilfe wie bisher. Die Stimmberechtigten haben eine Volksinitiative zur Kürzung der Sozialhilfe knapp mit 53,2 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Eine Vorlage zur moderaten Steuersenkung fand eine hauchdünne Mehrheit von 50,33 Prozent. Unbestritten war eine Schulvorlage, die mit einem Ja-Anteil von 85,26 Prozent genehmigt wurde.
St. Gallen: Das St. Galler Staatsarchiv wird an einem neuen Standort konzentriert und erhält mehr Platz. Das Stimmvolk hat einen Kredit von 44,3 Millionen Franken für den Umbau und die Erweiterung des Studienzentrum Waldau mit über 70 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen.
Tessin: Das Tessin führt eine Ausgabenbremse ein. Bis Ende 2025 muss die Regierung die Gewinn- und Verlustrechnung des Kantons ausgleichen. Das Stimmvolk hat den entsprechenden Gesetzesentwurf mit 56,9 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen.
Uri: Im Kanton Uri wird der Steuerwert von Liegenschaften künftig vom Schreibtisch aus und nicht mehr vor Ort bestimmt. Eine Vereinfachung des Schätzungswesens wurde mit über 78 Prozent Ja-Stimmen genehmigt.
Die Resultate und Analysen zu den nationalen Abstimmungen finden Sie hier.