Hier heben die F/A-18-Kampfjet wieder ab
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Nach erfolgreicher Landung:Hier heben die F/A-18-Kampfjets wieder ab

Kampfjet-Piste Autobahn A1 – Luftwaffe testete den Notfall
«Es geht darum, einen Erstschlag zu überleben»

Es hat geklappt. Die Armee hat am Mittwoch Kampfjets auf der Autobahn A1 in der Waadt starten und lassen. Ihr Ziel: Die Luftwaffe soll wieder weniger verwundbar sein. Armeechef Thomas Süssli sprach dennoch sein Bedauern aus.
Publiziert: 05.06.2024 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 05.06.2024 um 20:01 Uhr
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Es war das erste Mal seit über 30 Jahren, dass ein Kampfjet auf einer Schweizer Autobahn landete – und das erste Mal überhaupt, dass dies eine F/A-18 tat.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Die Turbinen heulen auf. Die F/A-18 beschleunigt, beschleunigt noch mehr – und hebt von der Autobahn A1 ab. Mit lautem Dröhnen donnert er an der extra errichteten Zuschauertribüne vorbei. Militärs, Besucher und Medien sitzen hier zusammengepfercht. Sie warten am Mittwochmorgen in der Waadt auf vier Kampfjets der Schweizer Armee, die mitten auf der gesperrten Autobahn A1 zwischen Payerne und Avenches landen und starten. 

Das Warten hat sich gelohnt. Die Starts sind deutlich spektakulärer als zuvor die Landungen, die von der Tribüne aus gar nicht zu erkennen waren. Und eigentlich auch kaum zu hören.

Mit der Übung «Alpha Uno» testet die Armee, ob ihre Flieger auch von improvisierten Standorten aus einsetzbar sind. Denn die Luftwaffe hat nur noch drei Flugplätze, auf denen alle Flieger konzentriert sind – in Payerne VD, Emmen LU und Meiringen BE. Das macht sie verwundbar. Bei einem gezielten Angriff auf die Flugpisten könnten die Jets nicht mehr starten und wären nutzlos. Die Armee braucht deshalb Ausweichmöglichkeiten.

Pilot Frodo landete einen der vier Kampfjets
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«Es geht darum, einen Erstschlag zu überleben»

«Es geht darum, sich dem Gegner zu entziehen und einen Erstschlag zu überleben», sagt Projektleiter Rolf Imoberdorf und spricht von einem «Katz-und-Maus-Spiel». Armeechef Thomas Süssli (57) zeigt sich mit dem Übungsverlauf sehr zufrieden. Alles sei reibungslos verlaufen. Gut so, immerhin sind Militärs aus aller Welt eingeladen, um die Übung zu beobachten. «Wir wollen demonstrieren, dass die Schweiz die Bedrohungslage ernst nimmt und ihren Teil zum Schutz Europas wahrnimmt», sagt Süssli.

Zweimal vier Maschinen landen am Mittwoch mit 260 bis 270 Stundenkilometern auf dem Autobahnteilstück. Das ist schon nicht ganz ohne. Die Strasse ist nur etwa 24 bis 25 Meter breit, deutlich schmaler als eine Flugpiste. Nicht alle Jets können gleich wieder starten. Bei einem wird ein geplatzter Reifen simuliert, der gewechselt werden muss. Feuerwehr und Sanität brausen mit Blaulicht heran. Alles nur Übung. Die Abläufe am Boden sind für die Übungszwecke ohnehin wichtiger als jene der Piloten.

Um echte Unfälle bei der Übung zu vermeiden, wird das Autobahnstück regelmässig kontrolliert, damit auch sicher nichts darauf liegt, was die Jets beschädigen könnte. Daneben werden Schreckkanonen eingesetzt, die Vögel verscheuchen und so Kollisionen vermeiden sollen. 

«Das wäre bei mir noch nicht vorstellbar gewesen»

Die Idee, mit Jets auf Autobahnen zu starten und landen, ist nicht neu. Die Nazis fingen damit an, als die Alliierten ihre meisten Flugplätze zerstört hatten. Ende der 1950er-Jahre – mitten im Kalten Krieg – wurde das Schweizer Nationalstrassennetz entsprechend geplant. 

Mehrere Autobahnabschnitte wurden so gebaut, dass sie als Notlandepiste dienen können: auf je rund zwei Kilometern schnurgerade, ohne begrünten Mittelstreifen und mit einfach zu entfernenden Mittelleitplanken ausgestattet.

1970 fand zwischen Oensingen SO und Härkingen SO eine erste Übung statt. Neun weitere folgten, die letzte 1991 im Tessin. Mit der Armeereform 95 wurde das Konzept aufgegeben. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte das Militär an Stellenwert eingebüsst, eine solche Übung wäre kaum mehr akzeptiert worden.

«Es ist deutlich schmaler als auf einer Flughafenpiste»
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«Das wäre bei mir noch nicht vorstellbar gewesen», bestätigt der frühere Luftwaffenchef Bernhard Müller (67), der extra angereist ist. Bis vor kurzem hatte sich auch das Bundesamt für Strassen (Astra) auf seiner Webseite noch skeptisch geäussert: «Die für die Übung notwendige beinahe ganztägige Vollsperrung der A1 hätte heute wohl ein veritables Verkehrschaos zur Folge.» Jetzt ist alles anders.

Das dürfte nicht der letzte Autobahn-Test gewesen sein

Auch für die rund 23'500 Fahrzeuglenker, die die Autobahn nicht benutzen konnten. Der Verkehr wird über das kantonale Strassennetz umgeleitet, das Übungsgelände grossräumig abgesperrt. «Ich bedauere jene, die im Stau stehen mussten», sagt Armeechef Süssli. «Aber wir machen das ja nicht jedes Jahr.»

Die Übung «Alpha Uno» dürfte aber nicht die letzte gewesen sein, lässt Süssli durchblicken. Erfahrungen aus Skandinavien zeigen: Starts und Landungen auf der Autobahn funktionieren auch mit dem US-Tarnkappenjet F-35, der ab 2027 die F/A-18 ablösen soll. 

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