Sie sind Hoteliers, Vereinsverantwortliche, Schauspielerinnen, Rentner, Journalistinnen, Unternehmerinnen. Allesamt Schweizer, die in Frankreich leben. Und alle haben sie eine klare Meinung zu Emmanuel Macron, dem französischen Präsidenten.
Unser erster Gesprächspartner ist ein Pariser Hotelbesitzer. Diskretion ist sein Geschäft, deshalb möchte er auch seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Spricht er aber über Frankreich und seinen Staatschef, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Vor allem, wenn es darum geht, ihn zu verteidigen.
«Macron geht Risiken ein»
«Macron verkörpert alles, nur keinen Politiker, der in die Schweiz gehören würde», urteilt der Tourismusfachmann. Der Präsident arbeite mit Intuition und Ideen. Setze auf Verführung. «Darum steht Frankreich nach sieben Jahren seiner Regentschaft heute im Rampenlicht», sagt der Hotelier. Macron werde gerne kritisiert, aber verstecke sich deswegen nie. «Er kämpft dafür, dass Frankreich an vorderster Front dabei ist. Er geht Risiken ein.»
Der Essayist François Garçon doppelt nach: «Es gibt eigentlich keinen Vergleich zwischen einem Präsidenten wie Emmanuel Macron und unseren Schweizer Politikern. Seine Ausstrahlung ist unschlagbar.» Selbst auf europäischer Ebene habe er nur wenige Rivalen. Nur: «Was die politischen Ergebnisse angeht, ist es etwas anderes.»
Garçon verweist etwa auf die Diskussionen rund um die Verwaltungshochschule École nationale d'administration (ENA), wichtigste Kaderschmiede Frankreichs und Symbol für den elitären Staat. Macron, selbst ENA-Absolvent, versprach nach den Protesten der Gelbwesten, die ENA reformieren zu wollen. Die Konservativen warfen ihm danach vor, eine Institution zu zerstören. Die Linke sah darin nur Symbolpolitik.
«Will Franzosen erobern, aber liebt er sie auch?»
Catherine Schwaab war lange Zeit Kulturjournalistin bei «Paris Match». Die Schweizerin hält den Besuch von Emmanuel Macron in der Schweiz für eine gute Sache. «Macrons Frankreich stellt sich in ein Schaufenster. Er fördert digitale Start-ups und die Kultur. Die Hauptstadt Paris befindet sich in ständiger Bewegung. Paris zieht an. Macron ist ein wichtiger Teil dieses Schaufensters», sagt sie.
Die Schauspielerin Anne Richard, in Frankreich bekannt durch ihre Rolle als Richterin in der Fernsehserie «Boulevard du palais», lebt seit Jahrzehnten in Paris. Sie sagt über Macron: «Er erinnert mich an einen Schauspieler. Er spielt seine Rolle. Er kennt seinen Text auswendig.» Die Schwierigkeit bestünde darin, dass er die politische Bühne kaum verlasse, um auf die Leute auf dem Land zuzugehen. «Man spürt zwar, dass er die Franzosen erobern will. Aber man weiss nie so recht, ob er sie auch wirklich liebt».
«Französisches Klischee»
«Ja, Emmanuel Macron spaltet die Franzosen», bestätigt der Rentner Michel Koeb. «Im Grunde genommen verkörpert er das französische Klischee: urban, eilig, zielstrebig und egoistisch. Er geht voran und denkt, dass der Rest der Bevölkerung ihm folgen wird.»
Koebs Frau Silvia sagt: «Er ist ein Präsident, der zu viel redet. Aber objektiv betrachtet, muss man zugeben, dass er den Franzosen die Wahrheiten sagt, die diese nicht hören wollen.» Das sei es, was ihm viele nicht verzeihen.