Die Frau hat Selbstironie: «Er muss diese Wahl gewinnen! Stellen Sie sich mein Gesicht im Jahr 2027 vor!» Dann nämlich wäre die zweite Amtszeit ihres Mannes zu Ende, sie selber 74 Jahre alt.
Brigitte Macron hat mit diesem Satz mitten im Wahlkampf 2022 die Spötter und Neider entwaffnet, die immer wieder auf ihr Alter anspielen.
Emmanuel Macron blieb Präsident der Grande Nation, sie ist heute 70-jährig, ihr Mann 45, und für zwei Tage werden die beiden dem offiziellen Staatsbesuch in der Schweiz Glamour und grosse Gefühle verleihen.
«Ich bin einfach seine Frau»
Die Französinnen und Franzosen sind stolz auf das aussergewöhnliche und progressive Paar.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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An der Première Dame lieben sie den Humor, das Lachen, das offene Gesicht, die Freundlichkeit. Selber mag sie den Ausdruck Première Dame nicht: «Emmanuel ist gewählt, nicht ich! Ich bin einfach seine Frau.»
Viele sehen das anders, behaupten, dass die ältere Dame dem Jungspund an ihrer Seite die nötige Reife vermittle, dass sie mitbestimme.
«Sie sind ein Paar, das miteinander verschmolzen ist», sagt Autorin Gaëlle Tchakaloff. Sie hat die Macrons für das Buch «Tant qu’on est tous les deux» (Solange wir einander haben) begleitet.
Der Buchtitel sei ein Zitat von Brigitte, sie sage diesen Satz oft, erzählt Tchakaloff. Die Präsidentengattin meint damit: Was auch immer für Prüfungen kommen, wann auch immer wir attackiert werden, niemand kann uns etwas anhaben, solange wir zueinanderhalten.
Prüfungen gab es etliche auf dem Weg von Brigitte und Emmanuel Macron. Fast ein Vierteljahrhundert Altersunterschied! Eine Lehrerin, die ihren Schüler heiratet! Auch in Frankreich, dem in Liebesdingen liberalen Land, ist das ungewöhnlich.
Sie weist ihn ab, lacht ihn aus
1993 treffen sich die beiden erstmals, an einem Theaterkurs im Gymnasium von Amiens, einer Stadt im Nordwesten Frankreichs.
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Brigitte entstammt einer alteingesessenen Familie. Sie ist Lehrerin, 40-jährig, verheiratet, hat drei Kinder: Sébastien, Laurence und Tiphaine, damals zwischen 9 und 17 Jahre alt. «In meiner Klasse habe ich einen hochbegabten Filou, der alles besser weiss», erzählt sie zu Hause.
Der junge Emmanuel verliebt sich Hals über Kopf in seine Lehrerin. Und zeigt es ihr. Monatelang. Sie weist ihn ab, lacht ihn aus, widersteht – bis sie schliesslich der Versuchung und ihren eigenen Gefühlen erliegt.
Unterstützung von der Grandmaman
Es braucht Mut, sich dieser Liebe zu stellen. Die gute Gesellschaft, zu der Brigitte gehört, goutiert den Entscheid nicht.
Sie aber verfolgt nur ein Ziel: Die drei Kinder sollen nicht unter der neuen Liebe leiden, ihre eigenen Eltern nicht verletzt werden.
Emmanuel wechselt nach Paris ans renommierte Lycée Henri-IV. Auf seinen Wunsch, wie er sagt, durch einen Befehl seiner Eltern, wie kolportiert wird. Seine Mutter Françoise versucht, «ihm die Augen zu öffnen», bittet ihn, nichts zu entscheiden, bis er 18 sei. Sukkurs erhält er von Grandmaman Manette – eine Romantikerin, die ihn versteht.
«Maman, ich liebe Brigitte. Wenn du das nicht verstehst – tant pis»
Brigitte besucht Emmanuel regelmässig in Paris, zu Hause ist sie Anzüglichkeiten ausgesetzt. Er versiebt eine wichtige Prüfung. «In diesen ersten Jahren in Paris wollte ich leben und lieben und mich nicht mit Mitstudenten messen.» Den Abschluss in Politischen Wissenschaften schafft er trotzdem.
Mit genau 18 Jahren sagt der verliebte Jüngling zu seiner Mutter: «Maman, ich liebe Brigitte immer noch. Wenn du das verstehst, bin ich froh, wenn nicht, tant pis.» 2007 heiraten sie. Gemeinsame Kinder wollen sie nicht. «Brigitte hatte drei Kinder, als ich sie heiratete, also gehören sie zu uns. Ich liebe sie, wie wenn es meine eigenen wären.»
Heute gehören auch sieben Enkelkinder zur grossen Familie, um die sich Brigitte gern kümmert: «Wir haben jeden Monat einen Geburtstag, also einen Grund zum Feiern.»
Hört nur auf Brigitte
Von bösartigen Bemerkungen wurde und wird das Paar nicht verschont. Brigitte kontert sec: «Klar, am Frühstückstisch sitze ich mit meinen Falten, er in seiner jugendlichen Frische. Aber wären wir nicht zusammen, hätte ich an meinem Leben vorbeigelebt.»
Die Politik kann eine Ehe zermalmen, nicht aber die der Macrons. «Wir sind ein selbstbewusstes Paar, sagen uns unsere Meinung», gibt sie preis. Man hört, dass es manchmal laut zu- und hergehe und dass Macron auf niemanden höre – ausser auf Brigitte.
Botschafterin der Haute Couture
Als Première Dame residiert sie im Regierungssitz Elysée in eigenen Räumlichkeiten. Mit zwei Assistentinnen kümmert sie sich um Behinderte, Spitäler, Mobbing an Schulen. Mit ihrer Stiftung Live hilft sie Schülerinnen und Schülern, die abgehängt werden.
Daneben absolviert sie offizielle Auftritte, verteidigt – wenn nötig – ihren Mann und seine politischen Projekte. Immer mit Würde und Grazie. Sie weiss, dass die Öffentlichkeit dabei wie ein Scanner alles registriert: Kleider, Haare, Länge der Jupes, Figur (die sie mit einer Stunde Velofahren pro Tag in Form hält).
Brigitte ist beste Botschafterin der französischen Haute Couture, mit einer Präferenz für Vuitton, dessen Jupe- und Rocksäume sie jeweils leicht verlängern lässt. Sie liebt, wie ihr Mann, gutes Essen, bevorzugt Weisswein, trinkt das Glas aber nie leer. Sie ist nie steif – ganz im Gegensatz zu ihrem Mann. Der Präsident weiss um die Qualitäten seiner Frau, die beiden ergänzen sich bis zur Perfektion.
Gemeinsame Spaziergänge in der Nacht
Und sie lieben sich wie am ersten Tag. Biografin Tchakaloff sagt: «Sie berühren sich, nehmen sich in den Arm, ein Kuss auf den Hals, auf die Wange. Sie haben eine romantische Vorstellung ihrer Ehe, gehen spielerisch miteinander um, scherzen, amüsieren sich.»
Nach fast 30 Jahren Beziehung ist das nicht selbstverständlich. Macrons sind sich der Gefahren einer langjährigen Ehe bewusst, gönnen sich Auszeiten im Theater, im Restaurant oder im Kino. «Wir gehen oft nachts spazieren. Was wollen Sie, ich bin mit einem Mann verheiratet, der dauernd arbeitet und bei dem ich darauf achten muss, dass er auch mal seine Dossiers zur Seite legt.»
Der Staatsbesuch in der Schweiz gehört in die Kategorie Arbeit, aber das Paar weiss, wie man auch an offiziellen Terminen gemeinsame Nähe zulässt.