War alles nur Wahlkampf-Show?
Warum Christophe Darbellay nicht für den Bundesrat kandidiert

Viele hatten mit ihm gerechnet, wochenlang schwieg er. Am Sonntagabend gab Christophe Darbellay in seiner Walliser Heimat bekannt, dass er nicht für den Bundesrat kandidiert. Warum verzichtet er? Und bleibt Markus Ritter jetzt der einzige Kandidat? Blick ordnet ein.
Publiziert: 02.02.2025 um 17:13 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2025 um 08:54 Uhr
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Christophe Darbellay erklärt, warum er auf die Bundesratskandidatur verzichtet.
Foto: Keystone
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Der Mann geniesst den grossen Auftritt. Wochenlang liess er alle zappeln, wochenlang hielt er sich bedeckt. Will der Mitte-Politiker Christophe Darbellay (53) für den Bundesrat kandidieren – oder doch nicht? Selbst nachdem der St. Galler Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter (57) seinen Hut in den Ring geworfen hatte, liess der Walliser noch fast eine Woche verstreichen. 

Am Sonntagabend lud seine Partei, die Mitte Unterwallis, in die Ortschaft Charrat VS, etwas ausserhalb von Martigny. Dort, in der unscheinbaren Mehrzweckhalle, tagte der kantonale Parteivorstand. 

Bevor Darbellay die Katze aus dem Sack liess, erklärte er minutenlang und geradezu ausschweifend, welche Gedankengänge er sich in den vergangenen Wochen gemacht habe. Es wurde zusehends grotesk. Dann, nach einer Kunstpause, verkündete er endlich: Er will nicht Bundesrat werden und die Nachfolge von Viola Amherd (62) antreten.

Die grosse Absage-Show

Er begründete seinen Verzicht insbesondere mit der bevorstehenden Staatsratswahl im Wallis. Darbellay strebt eine dritte Amtszeit an. Er habe seinen Entscheid «nach langer und reiflicher Überlegung getroffen». 

«Wenn ein Instinktpolitiker so lange Zeit braucht, um nachzudenken, dann bedeutet das etwas», erklärte er den Journalistinnen und Journalisten, die für seine Absage-Aktion stundenlang in die Rhoneebene gereist waren. An einem Sonntag, wohlgemerkt. Die noch immer tief christlich geprägte Mitte fördert Sonntagsarbeit – die Partei ist in diesen Tagen für viele Überraschungen gut.

Es dürfte ein Novum sein: Ein potenzieller Bundesratskandidat lädt eigens zu einer Medienkonferenz ein, um wortreich seinen Verzicht zu erklären. 

In den letzten Wochen ist ein Favorit nach dem anderen abgesprungen, keiner hat sich dabei so in Szene gesetzt wie Darbellay. Ob Noch-Parteipräsident Gerhard Pfister (62) oder Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (46), ob die Top-Anwärter Martin Candinas (44) oder Isabelle Chassot (59), ob die Luzernerin Andrea Gmür (60) oder der St. Galler Benedikt Würth (57): Sie alle begnügten sich mit einer schriftlichen Absage-Mitteilung oder zumindest einem Interview.

Bei ihm gilt: «Valais first!»

Aber Darbellay ist Darbellay. Er, der einst als junger Nationalrat nach Bern kam und ein Jahrzehnt lang die damalige CVP präsidierte, ist ein Ausnahmepolitiker. Ein Politikfuchs, eloquent und machtbewusst, immer mit dem Gespür für die «richtigen» Statements. Einen «guten Riecher für politische Opportunitäten» attestierte ihm kürzlich der Walliser SP-Urgestein Peter Bodemann (72) im «Tages-Anzeiger».

Und die Opportunität Bundesrat sah er nicht für sich: Darbellay nutzte den Auftritt, um zu verkünden, dass er sich gegen Bern und für das Wallis entschieden habe. Er inszenierte seinen faktischen Rückschlag, münzte ihn um in eine Chance. Sein Signal an die Basis: Valais first!

«Es ist nicht einfach, mit zwei Herzen in der Brust zu leben», sagte er. Aber das Timing habe für ihn nicht gepasst, seine Priorität liege nun im Wallis. Dass er mit seinem wochenlangen Liebäugeln bloss Wahlkampf gemacht habe, verneinte er vehement. Nächtelang habe er nachgedacht – und sich schliesslich erst am Sonntagmorgen entscheiden. 

Der Zeitpunkt von Amherds Rücktritt kommt für Darbellay zweifellos ungünstig. Denn: Am 2. März finden im Wallis kantonale Wahlen statt, nur zehn Tage vor der Bundesratswahl. Darbellay wird also bald mitten im Wahlkampf stehen. 

Wollte er nicht plötzlich ohne Mandat dastehen, hätte Darbellay sowohl für den Bundesrat als auch für den Staatsrat kandidieren müssen. Oder anders gesagt: Kaum zu Hause wiedergewählt, wäre er vielleicht gleich wieder durch den Lötschberg Richtung Bern verschwunden.

Vielleicht spürte der Instinktpolitiker Darbellay auch, dass es aufgrund von «Affären» hätte eng werden können: Auch unter Darbellays Augen war der wegen Belästigung verurteilte Ex-CVP-Nationalrat Yannik Buttet (47) – zumindest kurzzeitig auf dem Papier – Präsident der Walliser Tourismuskammer geworden. Das hätte Darbellay im linken Lager Stimmen kosten können. Und weil er 2007 bei der Abwahl von SVP-Doyen Christoph Blocher (84) aus dem Bundesrat die Finger im Spiel hatte, hätte er bei der Volkspartei kaum auf Support zählen können. 

Kandidiert nur Markus Ritter?

Damit bleibt es vorerst bei einer einzigen Kandidatur für die Amherd-Nachfolge. Nach lauter Absagen steht Markus Ritter derzeit allein am Start. Ob ihm noch jemand folgt? Bis Montag müssen die Kantonalparteien ihre Kandidaten der internen Findungskommission melden. Sollte die Mitte ein Einerticket präsentieren, dürfte das bei den anderen Fraktionen für viel Unmut sorgen. Auch Darbellay hält ein solches für «ungünstig».

Hinter vorgehaltener Hand werden die Absagen unter anderem damit begründet, dass der neu gewählte Bundesrat aller Voraussicht nach das Verteidigungsdepartement (VBS) übernehmen muss. Das wollen sich viele nicht antun, schon gar nicht angesichts der SVP-FDP-Mehrheit in der Landesregierung. Andere warten strategisch ab – in der Hoffnung auf eine neue Chance in ein paar Jahren.

Die Nationalrätinnen Elisabeth Schneider-Schneiter (60, BL), Marie-France Roth Pasquier (56, FR) und Nicole Barandun (56, ZH) dürften am Montag ihre Entscheidung bekanntgeben. Ihre Namen sind freilich erst nach dem Absage-Debakel ins Rampenlicht gerückt. Oder zaubert die Mitte etwa noch eine Überraschung aus dem Hut?

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