Die Bauern im Land werden immer weniger. Im Bundeshaus hingegen sind sie seit diesem Sonntag so mächtig wie schon lange nicht mehr: 11 der 50 neu gewählten Nationalrätinnen und Nationalräte sind Landwirte. Damit sitzen nun 25 Bäuerinnen und Bauern im National- und Ständerat. Zehn mehr als bisher.
Rechnet man auch die studierten Agronominnen, ehemaligen Landwirte und all die, die eine landwirtschaftliche Organisation vertreten, dazu, wächst die Bauernlobby auf knapp 40 Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Mehr als jede und jeder Siebte im Parlament ist also bauernnah. Und das, während weniger als drei Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft arbeiten.
Bauernmacht SVP
Urs Schneider (64), Kampagnenchef beim Schweizer Bauernverband, kann die Bedeutung dieser Zahlen noch gar nicht richtig fassen. «Eigentlich wahnsinnig» sei das, «fast nicht zu glauben».
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Das Erstarken der Bauernlobby ist vor allem auf den SVP-Wahlsieg zurückzuführen. 10 der 11 neugewählten Bäuerinnen und Bauern gehören der Rechtspartei an. Dazu kommen einige Mitte-Bauern – darunter Bauernverbandspräsident Markus Ritter (56) – und wenige Grüne.
Das Zusammenspannen der Bauern mit den Wirtschaftsverbänden – die Rede war auch von der «Geld und Gülle»-Allianz – hat sich für Erstere offenbar ausgezahlt. Das sieht auch Schneider so, der die gemeinsame Kampagne geleitet hat. Er führt den Erfolg vor allem auf die Mobilisierung zurück. Die Wahlbeteiligung sei in vielen ländlichen Gemeinden gestiegen. Erstmals überhaupt hat der Bauernverband dieses Jahr zudem selbst Geld für den Wahlkampf in die Hand genommen, und nicht einfach die kantonalen Verbände machen lassen. «Die Abstimmungserfolge in der Vergangenheit haben uns dazu motiviert, auch bei den Wahlen aktiver zu werden», sagt Schneider dazu.
Nicht alle willkommen
Organisiert ist die Bauernlobby im Parlament über die Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier. In den nächsten Tagen werde man die Einladungen an die Gewählten verschicken, sagt Schneider.
Nicht alle, die gern eine Einladung hätten, werden allerdings auch eine erhalten. Bauernverbandspräsident Markus Ritter deutet gegenüber dem «Tages-Anzeiger» an, dass Grünen-Nationalrat und Biobauer Kilian Baumann (42) ausgeladen werden könnte. Man will ihn dafür abstrafen, dass er es beispielsweise wagte, sich für die Pestizid-Initiativen einzusetzen.
Baumann wirft Ritter eine Einschüchterungstaktik vor. Ihm gehe es wohl vor allem darum, den Neugewählten zu zeigen, «wer hier der Chef ist», schreibt er auf X. «Nicht, dass jemand von den Neuen noch auf die Idee kommt, eigene oder gar kritische Positionen zu vertreten.»
Widerstand gegen Sparprogramm
Denn die nächsten heiklen Agrar-Diskussionen kommen. Einerseits liegt im Parlament noch immer ein möglicher Gegenvorschlag zur Biodiversitäts-Initiative auf dem Tisch. Andererseits will der Bundesrat bei der Landwirtschaft den Rotstift ansetzen. Die Regierung will das Budget 2024 für die Landwirtschaft um 74 Millionen kürzen – das entspricht zwei Prozent. Mittelfristig soll noch mehr gespart werden. Der Bauernverband hat bereits Widerstand gegen die Sparpläne angekündigt.