Sie ist mehr als nur eine von 2569 Einwohnerinnen und Einwohner in Wiedlisbach BE: Franziska Herren ist die bekannteste Bürgerin des Dorfs im Oberaargau. Treffpunkt ist der wild-romantische Garten ihres kleinen Häuschens. Hier liest und arbeitet sie oft. «Und wenn ich unter unserem Nussbaum sitze, kann ich abschalten und auftanken – das ist mein Kraftort», sagt sie.
Energie hat und braucht die 56-Jährige: Als Privatperson ohne finanzstarke Lobbygruppen hat sie drei Initiativen lanciert: zuerst vor über zehn Jahren «Mühleberg vom Netz», dann 2017 die Trinkwasserinitiative und nun die Initiative für mehr Ernährungssicherheit. Anfang Juni läuft die Unterschriftensammlung an. Weshalb tut sich die «Jeanne d’Arc des Wassers» – so nennt sie ihr Nachbar – das an? Nach einem der dreckigsten Abstimmungskämpfe der Schweizer Politgeschichte – ausgerechnet um sauberes Trinkwasser.
Noch nicht genug von zerstörten Plakaten, Podiumsabsagen und Morddrohungen? Keine Angst?
Franziska Herren: Ich habe viel gelernt über das System, die Kommunikation und die Menschen. Das Schlimmste für mich wäre, wenn ich etwas aus Angst sein lasse, obschon ich mir dessen Wichtigkeit bewusst bin.
Die Fitnesstrainerin mit eigenem Studio ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie hat fast im Alleingang die über 100'000 Unterschriften für die Trinkwasserinitiative gesammelt, die 2021 an der Urne abgelehnt wurde. Im Abstimmungskampf wurde sie bedroht und beschimpft und benötigte zeitweise Personenschutz.
Die Fitnesstrainerin mit eigenem Studio ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie hat fast im Alleingang die über 100'000 Unterschriften für die Trinkwasserinitiative gesammelt, die 2021 an der Urne abgelehnt wurde. Im Abstimmungskampf wurde sie bedroht und beschimpft und benötigte zeitweise Personenschutz.
Neues Ungemach droht: Jetzt wollen Sie die Schweizer Bevölkerung zu Veganern umerziehen.
(Lacht.) Nein, überhaupt nicht. Wir wollen einzig für die Umwelt, das Klima und unsere Ernährungssicherheit eine neue ausgewogene Balance zwischen der Produktion von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln herstellen. Dabei wird keine Ernährungsform ausgeschlossen.
Sie kämpfen wie die SVP für einen höheren Selbstversorgungsgrad.
Mit dem Unterschied, dass die SVP auf Kosten von ökologischen Massnahmen die Viehwirtschaft gleich hoch erhalten möchte.
Und was wollen Sie?
Wir wollen eine nachhaltige inländische Produktion mit Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit stärken und so den Netto-Selbstversorgungsgrad der Schweiz von 50 auf mindestens 70 Prozent erhöhen. Dafür soll der Bund mehr pflanzliche Lebensmittel fördern und die Land- und Ernährungswirtschaft darauf ausrichten. Momentan fliessen von den 2,8 Milliarden Subventionen 82 Prozent in die Produktion von tierischen Lebensmitteln und nur 18 Prozent in pflanzliche Lebensmittel.
Grillieren Sie im Sommer denn nicht auch gern ein saftiges Steak?
Ich war schon als Kind Vegetarierin, obschon meine Eltern Fleisch assen. Doch für die Umwelt, das Klima und die Ernährungssicherheit der wachsenden Bevölkerung braucht es mehr pflanzliche Alternativen oder Gemüse auf den Grill. Denn heute wird auf 60 Prozent der inländischen Ackerflächen Futter für die Nutztiere – wie Mais und Getreide – angebaut, zusätzlich werden noch 1,2 Millionen Tonnen Futtermittel importiert. Dieser Futtermittelanbau steht in direkter Konkurrenz zur menschlichen Ernährung und schwächt die Ernährungssicherheit im In- und Ausland. Wenn man auf Ackerflächen Lebensmittel – zum Beispiel Hülsenfrüchte oder Getreide – für die Menschen anbaut statt Futtermittel, so kann man pro Hektare viel mehr Kalorien herstellen. Die Wiesen und Weiden der Schweiz hingegen eignen sich für die graslandbasierte Fleisch und Milchproduktion.
Pflanzliche Lebensmittel boomen, es ist ein riesiger Markt. Braucht es da Ihre Initiative überhaupt?
Ja, unbedingt! Über 60 Prozent der Bevölkerung ernähren sich bereits flexitarisch und essen der Umwelt und dem Tierwohl zuliebe weniger tierische Lebensmittel. Die Rohstoffe für diesen umwelt- und klimabewussten Wachstumsmarkt von pflanzlichen Lebensmitteln werden aber fast ausnahmslos importiert. Dies ist auf die Subventionspolitik zurückzuführen, die Produktion und der Konsum von tierischen gegenüber pflanzlichen Lebensmitteln wird massiv bevorzugt. Das führt dazu, dass eine pflanzliche Bratwurst, deren Herstellung weniger Wasser und Land braucht, bis zu 1,5-mal mehr kostet als die tierische Bratwurst.
Sie fordern eine Umkehr.
Ja, denn die heutige Agrar- und Subventionspolitik ist verantwortungslos. Sie verhindert den nötigen Wandel hin zu einer nachhaltigen klima- und umweltbewussten Produktion und Ernährung, die auch von der Wissenschaft gefordert wird. Deshalb unsere Initiative.
Die Fitnesstrainerin mit eigenem Studio ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie hat fast im Alleingang die über 100'000 Unterschriften für die Trinkwasserinitiative gesammelt, die 2021 an der Urne abgelehnt wurde. Im Abstimmungskampf wurde sie bedroht und beschimpft und benötigte zeitweise Personenschutz.
Die Fitnesstrainerin mit eigenem Studio ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie hat fast im Alleingang die über 100'000 Unterschriften für die Trinkwasserinitiative gesammelt, die 2021 an der Urne abgelehnt wurde. Im Abstimmungskampf wurde sie bedroht und beschimpft und benötigte zeitweise Personenschutz.
Unsere Ökosysteme und sauberes Trinkwasser …
… sind der grösste Schatz, den wir haben. Und zwar völlig kostenlos. Wir müssen aufhören, diese mit unseren Steuergeldern zu zerstören. Im Kampf gegen den Klimawandel nützen uns weder Pestizide noch Kunstdünger. Es braucht ein Umdenken in der Politik. Der Bevölkerung müsste offen und ehrlich aufgezeigt werden, wie Schweizer Fleisch und Poulet hergestellt werden. Doch die Werbung schweigt über die Folgen für die Umwelt und die Gesundheit durch den Einsatz von Antibiotika und Importfutter in der Schweizer Nutztierhaltung.
Können Sie konkreter werden.
In der Schweizer Poulet- und Eierproduktion hat sich der Antibiotikaeinsatz von 2020 auf 2021 mehr als verdoppelt. Viele Tiere werden sogar mit Reserveantibiotika behandelt, da herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken. Das führt zu immer mehr resistenten Bakterien – die laut der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit die grösste Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung sind. Seit meiner Kindheit kenne ich bio und weiss, dass Pflanzen keine Pestizide brauchen. Im Gegenteil: Damit vergiften wir Bienen, Insekten sowie Pflanzen und Gemüse. Noch immer wird den Menschen aber gesagt: Ohne den Einsatz von Pestiziden geht es nicht, und alles würde sonst teurer. Fakt ist: Jetzt bezahlen wir Unmengen für die Umweltzerstörung, die nicht im Preis der Produkte eingerechnet wird.
Sie haben früher Regenwürmer gesammelt.
Das war in der Schulzeit in Münsingen, immer nach Sommergewittern. Und beim Velofahren musste ich darauf achten, den Mund geschlossen zu halten, damit ich keine Insekten verschluckte. Heute sieht man kaum Regenwürmer, und keine Windschutzscheibe ist mehr voller Insekten, auch Schmetterlinge fliegen fast keine mehr herum. Da zeigt sich, welchen Einfluss die heutige Agrarpolitik auf die Biodiversität hat.
Ist die Situation für Sie heute anders als bei der Trinkwasserinitiative?
Ja, den Klimawandel mit Hitze, Dürre und Wasserknappheit in vielen Gegenden und Ländern kann heute niemand mehr leugnen, er ist da. Wo Wasser fehlt, fehlen Nahrungsmittel. Corona und der Ukraine-Krieg haben aufgezeigt, dass Importe ausfallen können und eine hohe inländische Versorgung mit Lebensmitteln wichtig ist. Bis jetzt habe ich noch kein böses Feedback auf die neue Initiative erhalten. Auch immer mehr Landwirte beginnen umzudenken. Sie sehen, dass der Klimawandel nur mit einer ökologischen Produktion bewältigt werden kann. Es ist etwas Neues für uns alle. Weder die Bevölkerung noch die Land- und Ernährungswirtschaft wurden genügend darauf vorbereitet, dass Wasser auch im Wasserschloss Europas zur Mangelware werden kann.
Wo tanken Sie Kraft, um ständig weiterzukämpfen?
Unter unserem Nussbaum (lacht). Ich bin sehr mit der Erde und den Tieren verbunden. Die Erde ist unser aller Mutter. Sie ernährt uns, ausser man zerstört sie. Wenn ich mich ihr zuwende, fühle ich eine enorme Dankbarkeit und Geborgenheit. Sie wird sich erhalten. Mit oder ohne uns. Ob mit uns, liegt in unseren Händen.
Und was treibt Sie an?
Es kommt von innen heraus. Was wir als Menschen zum Teil machen, empfinde ich als unglaublich anstrengend und leidvoll: zerstören, aufbauen, zerstören. Eigentlich steht uns alles, was wir zum Leben brauchen, kostenlos zur Verfügung, die Natur gibt uns alles. Wir müssen nur mit ihr zusammenarbeiten statt gegen sie. Ich überlege mir auch oft, weshalb wir nicht mehr machen, um zu Frieden zu kommen. Schon als Kind habe ich nie begriffen, weshalb ich alles über jeden Krieg lernen musste. Lieber hätte ich erfahren, wie Länder den Frieden statt den Krieg gewählt haben und wie man Frieden schafft.
Gibt es Vorbilder, die Sie inspirieren?
Ich schaue gerne Filme oder lese Bücher über Menschen, die mit einer friedlichen, doch entschlossenen inneren Haltung Wandlungen möglich machen oder es aus ausweglosen Situationen zurückgeschafft haben. Kürzlich habe ich wieder die Autobiografie von Nelson Mandela gelesen.
In Ihrer Wohnung hängen überall kleine Zettelchen mit Sinnsprüchen wie «Lebenskunst ist die Kunst des richtigen Weglassens» oder «Normal ist gefährlich».
Die tägliche Ausrichtung ist wichtig für mich. Ich trainiere regelmässig, damit ich zentriert bleibe, wenn es nicht läuft oder die Situation aussichtslos erscheint. Ich frage mich dann immer: Was brauche ich in meinem Leben? Wenig, wenn man sich fokussiert. Zwei Tage ohne Wasser, dann wird alles Geld der Welt zur Nebensache. Heute ist es fast normal geworden und wird sogar gerechtfertigt, dass wir unsere Umwelt zerstören, unser Trinkwasser verschmutzen und wir für ökologische Produkte mehr bezahlen müssen als für Produkte, die die Umwelt zerstören. Unsere Normen zu überdenken, finde ich sehr wichtig. Meine Projekte entstehen aus Erfahrungen und Erkenntnissen, die ich gemacht habe. Ich habe nie einen Businessplan. Alles, was ich mache, kommt von innen heraus. Ich empfinde ein Gefühl der enormen Dringlichkeit und fange dann an, die Projekte umzusetzen, ohne dabei schon alles zu haben und zu können. Das ist nicht immer einfach, und es gibt auch Nächte, in denen ich wach liege und denke, das schaffe ich nie. Aber am nächsten Tag kommt etwas, eine Türe geht auf und bringt Möglichkeiten und Unterstützung für das Projekt, und ich weiss, ich bin auf dem richtigen Weg.