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Silvester-Nacht der Schande:Videos zeigen kriegsähnliche Zustände in Berlin

Integration von Ausländern
Das macht die Schweiz anders als Deutschland

Die Silvesterkrawalle in Berlin haben auch die Schweiz beunruhigt. Doch die Integration von Ausländern läuft hier anders – und besser als in Deutschland, ist Experte Eduard Gnesa überzeugt.
Publiziert: 06.01.2023 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 07.01.2023 um 08:10 Uhr
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In der Silvesternacht kam es in deutschen Grossstädten zu Krawallen, bei denen Feuerwehrleute und Polizisten verletzt wurden.
Foto: SZ Photo

Seit den Silvester-Krawallen debattiert Deutschland über die Integration – immerhin war ein Grossteil der gewalttätigen Chaoten männlich und mit Migrationshintergrund. Für den deutschen Migrationsforscher Cihan Sinanoglu ist klar, dass die gescheiterte Integration ein soziales Problem ist, kein kulturelles. In Deutschland hätten beispielsweise noch immer nicht alle gleichen Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheit.

Eine Haltung, die der Schweizer Migrationsexperte Eduard Gnesa über weite Strecken teilt. Laut dem ehemaligen Direktor des Bundesamts für Ausländerfragen und Schweizer Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit hat Deutschland unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (68) im Anschluss an die Flüchtlingskrise 2015 und 2016 Fehler gemacht.

Deutschland hat Fehler gemacht

Nicht die Aufnahme an sich sei falsch gewesen, denn «es waren vor allem Menschen aus Syrien, die in Not waren». Danach aber sei bei der Integration nicht alles optimal gelaufen. «Unter den Geflüchteten gab es zum Beispiel auch zahlreiche unbegleitete Minderjährige. Damit diese eine Perspektive haben, müssen der Erwerb der Landessprache und der Berufseinstieg gefördert werden.» Hier hat Deutschland aus Sicht des Migrationsexperten zu wenig getan.

Bei uns sei die Situation aber eine andere. «In der Schweiz haben wir ein gutes Bildungssystem. Insbesondere die duale Berufsbildung bietet auch jungen Migrantinnen und Migranten gute Chancen für den Einstieg in den Arbeitsmarkt», so der ehemalige Direktor des Bundesamts für Ausländerfragen, eines Vorläufers des heutigen Staatssekretariats für Migration (SEM).

Verschiedene Massnahmen

Gute Erfahrungen habe man etwa mit der Integrationsvorlehre für Flüchtlinge gemacht – in diesen werden Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene gezielt und praxisorientiert auf eine Berufslehre vorbereitet. Auch ukrainische Flüchtlinge und andere Zuwanderungsgruppen können eine solche Vorlehre absolvieren.

Zudem stellt der Bund den Kantonen Geld für Sprachkurse und weitere Integrationsmassnahmen zur Verfügung: Pro anerkanntem Flüchtling und vorläufig Aufgenommenem – das sind Asylsuchende, deren Gesuch abgelehnt wurde, die aber nicht ausgewiesen werden können – erhalten die Kantone eine Integrationspauschale von 18'000 Franken.

In Deutschland gibt es zwar ebenfalls Sprachkurse, bestimmte Migrantengruppen wie vorläufig Aufgenommene waren davon bis vor wenigen Jahren aber ausgeschlossen. Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten sie so kaum.

Keine Ghettoisierung

Die Integrationsförderung zahle sich aus, ist Experte Gnesa überzeugt. Doch es gibt noch weitere Punkte, die dazu beitragen, dass die Schweiz besser unterwegs ist. Laut Gnesa hat das aber auch mit den Gegebenheiten in der Schweiz zu tun: «Wir haben keine Riesenstädte, in denen es Quartiere gibt, die einen derart hohen Ausländeranteil aufweisen wie Berlin.»

Aber in der Schweiz habe man auch stets darauf geachtet, eine «Ghettoisierung» zu verhindern. Gnesa erklärt: «Immer wieder wird gefragt, warum Asylsuchende aus französischsprachigen Herkunftsländern nicht der Romandie zugeteilt werden, wo die Integration wegen der Sprache einfacher sei.»

Wenn allerdings alle Französischsprachigen in der Westschweiz untergebracht würden, könnte das zu Parallelgesellschaften führen. «Um dies zu verhindern, werden sie auch in der Deutschschweiz oder im Tessin untergebracht, wo sie die dortige Sprache erlernen müssen und sich in die Gesellschaft integrieren.»

Strenge Schweiz, die Anreize setzt

Zudem sei die Schweiz strenger unterwegs als andere Länder: «Personen mit abgewiesenem Asylgesuch werden in der Schweiz konsequent ausgeschafft. In den deutschen Bundesländern hingegen war dies bisher in viel geringerem Mass der Fall», so Gnesa. Hinzu kommen die beschleunigten Schweizer Asylverfahren, die unter der eben abgetretenen Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) eingeführt wurden.

Doch schon zuvor hat das SEM, damals noch unter der Leitung von Staatssekretär Mario Gattiker (66), für Asylsuchende aus Ländern mit einer tiefen Schutzquote, die sogenannten 48-Stunden- oder Fast-Track-Verfahren angewendet. Wer also aus einem Staat kommt, wo praktisch niemand Asyl erhält, da den dortigen Menschen keine Gefahr durch Verfolgung droht, dessen Gesuch wurde schon zuvor prioritär behandelt.

Diese unterschiedliche Praxis ist aus der Sicht Gnesas mit ein Grund, weshalb Deutschland und Grossbritannien für Migrantinnen und Migranten beliebtere Ziele sind als die Schweiz. So wollen heute zahlreiche Asylsuchende, die auf ihrer Reise Italien oder Österreich passiert haben, auch die Schweiz auf ihrem Weg nach Nord- oder Westeuropa lediglich durchqueren.

Acht Migrationspartnerschaften

Eduard Gnesa, der frühere Sonderbotschafter für Migration, vergisst nicht zu erwähnen, wie wichtig auch die Migrationspartnerschaften seien, die er massgeblich mit ausgehandelt hat. Sie ermöglichen die Reintegration von abgewiesenen Asylsuchenden in der ursprünglichen Heimat und die Ausbildung von Jugendlichen. Sie fördern Entwicklungsprojekte in den Partnerländern und die Bekämpfung des Menschenhandels. «Bestandteil der Partnerschaften sind aber auch Rückführungsabkommen, mit denen abgewiesene Asylbewerber freiwillig, nötigenfalls aber auch gegen ihren Willen, zurückgeführt werden können», betont Gnesa. Denn wenn ein abgewiesener Asylsuchender weiss, dass er allenfalls auch zwangsweise in sein Herkunftsland zurückgeschafft werden könnte, ist die Bereitschaft eher gegeben, sich zu einer Rückkehr bereit zu erklären und dafür von einer Starthilfe im Heimatland profitieren zu können.

Solche Partnerschaften hat die Schweiz unterdessen mit acht Staaten geschlossen, darunter sind Balkanländer wie Kosovo und Serbien, aber auch Sri Lanka, Tunesien und Nigeria.

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