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Silvester-Nacht der Schande:Videos zeigen kriegsähnliche Zustände in Berlin

Migrationsforscher Cihan Sinanoglu ordnet Silvesterkrawalle ein
«War es Hass auf Deutschland?»

Seit den Silvesterkrawallen debattiert Deutschland über Ausländergewalt und Integration. Für den Migrationsforscher Cihan Sinanoglu ist es aber noch zu früh, Schlüsse zu ziehen.
Publiziert: 06.01.2023 um 00:45 Uhr
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Berliner Polizisten wurden in der Silvesternacht mit Böller und Raketen beworfen.
Foto: SZ Photo
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Sermîn FakiPolitikchefin

Berlin und andere deutsche Grossstädte glichen in der Silvesternacht einem Bürgerkriegs-Schauplatz: Krawallmacher setzten Autos und Gebäude in Flammen, plünderten Geschäfte und griffen Polizisten, Feuerwehrmänner und Sanitäter an.

Bei den Chaoten handelte es sich grossmehrheitlich um junge Ausländer, von den in Berlin festgenommenen 145 Personen hatten zwei Drittel einen Migrationshintergrund. Wobei Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey (44) sagte, die meisten seien «in Berlin geborene Kinder und Jugendliche».

«Wissen nicht einmal, woher die Leute kamen»

Das wirft ein Schlaglicht auf die Integration in deutschen Grossstädten – offensichtlich ist es dort nicht gelungen, die Zuwanderer in die Gesellschaft zu integrieren. Cihan Sinanoglu warnt vor voreiligen Schlüssen. Für den Wissenschaftler am Deutschen Institut für Integrations- und Migrationsforschung ist noch viel zu wenig bekannt: «Was sprach da aus diesen Jugendlichen? War es blinder Vandalismus? Hass auf Deutschland? Oder Party-Tourismus? Wir wissen ja nicht einmal, woher die Leute kamen.»

Sinanoglu sagt, man müsse die Geschehnisse in der Silvesternacht sehr ernst nehmen – und dafür sorgen, dass sich das nicht wiederhole. Doch: «Die Gewalt von Silvester mit einer wie auch immer gearteten anderen Kultur zu begründen, greift deutlich zu kurz», so der Experte. Er vermutet vielmehr, dass toxische Männlichkeit – «also den Macker raushängen zu lassen» –, Alkohol und Gruppendynamik ebenso eine Rolle gespielt hätten.

Keinen Zugang zum Arbeitsmarkt

Sinanoglu bestreitet nicht, dass es ein Problem gibt – etwa mit Ausländerclans in Berlin-Neuköln. Doch man müsse nach den Ursachen dafür forschen. «Ein Grund für die Entstehung von kriminellen Strukturen war der versperrte Zugang in den Arbeitsmarkt», sagt er beispielsweise. Viele der kriminellen Clan-Strukturen hingen damit zusammen, dass viele der Mitglieder dieser Grossfamilien keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt hätten.

Was eine schnellere Integration auf dem Arbeitsmarkt bringen, würden die ukrainischen Flüchtlinge zeigen, die kein Asyl beantragen mussten und viel schneller für sich selbst sorgen konnten.

«Armut wird vererbt»

Für Sinanoglu ist klar, dass hinter der gescheiterten Integration ein soziales Problem steckt. In Deutschland hätten noch immer nicht alle gleichen Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheit. Im Bildungsbereich sehe man das gut: «Die Frage, wie weit man es im Leben schafft, hängt mit der Herkunft zusammen. Armut wird vererbt, weil Kinder aus schwierigen Verhältnissen keine Chance haben, sich hochzuarbeiten.» Da, sagt er, müsse man ansetzen und beispielsweise flächendeckende Ganztagsschulen und diskriminierungsfreie Lehrmaterialien anbieten.

Deutschland, so Sinanoglu, müsse endlich begreifen, dass «dass wir eine Migrationsgesellschaft sind – und sich entsprechend verhalten.» Seine Vorschläge, was das beinhaltet, haben Sprengkraft. «Warum», fragt er etwa, «beharren wir im Bildungssystem auf der deutschen Sprache? In einer globalisierten Welt ist Mehrsprachigkeit doch ein Vorteil.»

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