Eine Reise durch Afghanistan ist gefährlich. Trotzdem war Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), in den letzten Tagen im ganzen Land unterwegs. Innert vier Tagen besuchte er die Städte Kabul, Lashkar Gha und Kandahar sowie mehrere Dörfer.
Besonders eindrücklich seien die Reisen zwischen den Ortschaften gewesen, erzählt Maurer: «Die vielen neuen Friedhöfe rechts und links des Strassenrandes haben mich sehr betroffen gemacht.» Auch die verlassenen Camps und Fahrzeuge oder die Fahnen erzählten vom Konflikt, der das Land und seine Menschen seit vier Jahrzehnten prägt. «Es gibt keine Familie in Afghanistan, die nicht mindestens ein Familienmitglied hat, das verletzt, vermisst oder gestorben ist.»
Er habe in den Dörfern und Städten aber auch festgestellt, dass seit den Turbulenzen der Machtübernahme durch die Taliban auch wieder eine gewisse Normalität eingekehrt sei. «Das Leben geht weiter», sagt er. «Die Läden sind offen. Die Menschen machen das, was sie bereits zuvor gemacht haben.»
Gesundheitssystem in Gefahr
Die humanitären Bedürfnisse in der Bevölkerung seien nichtsdestotrotz gross. Besonders prekär laut Maurer: «Es besteht die Gefahr, dass das Gesundheitssystem kollabiert.» Das Land hat für seine rund 40 Millionen Einwohner erst zwei Millionen Covid-Impfdosen erhalten. Hilfe ist dringend nötig.
Damit das IKRK helfen kann, braucht es allerdings den Segen der neuen Machthaber. Am Montag hat sich Diplomat Maurer deshalb mit Taliban-Führer Mullah Baradar (53) in Kabul getroffen. «Die Gespräche liefen gut», sagt er. «Wir arbeiten weiter mit den Taliban zusammen. So wie wir es als humanitäre Organisation auch in den letzten drei Jahrzehnten gemacht haben.»
Die Islamisten hätten das IKRK in den Gesprächen ermutigt, sein Hilfsprogramm auszubauen und in ländliche Regionen zu gehen, die stark unterversorgt sind. Das entspreche auch den Ideen des IKRK, sagt Maurer. «Wir haben aktuell 1800 Helferinnen und Helfer in Afghanistan und wir wollen unser Engagement weiter ausbauen.» (til)