Vier Jahre dauerte der Beschaffungs-Prozess – nun hat sich der Bundesrat entschieden. Am Mittwoch teilte Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) mit, dass die Schweiz als Ersatz für die in die Jahre gekommenen Kampfjets den hochmodernen F-35 des US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin kaufen will.
Auf welcher Basis trifft der Bundesrat überhaupt den Typenentscheid? Und wie geht es nun weiter? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur bisher grössten Beschaffung der Armee.
Warum braucht die Schweiz neue Kampfjets?
Die Schweizer Armee hat heute zwei Kampfjet-Typen im Einsatz: die Tiger F-5, die in den 70er-Jahren beschafft wurden, und die F/A-18, die seit 24 Jahren zum Schweizer Flugzeug-Arsenal gehören. Die Tiger, die noch im Einsatz stehen, sind schon so alt, dass sie nur noch für Trainings- und Testflüge sowie vereinzelt für den Luftpolizeidienst zum Einsatz kommen. Die 30 F/A-18 fliegen noch bis 2030. Spätestens ab dann braucht die Schweiz – sofern man nicht ohne Kampfjets dastehen will – einen Ersatz.
Welche Flugzeug-Typen standen zur Auswahl?
Nachdem sich der schwedische Hersteller Saab 2019 mit seinem Gripen zurückzog, waren noch vier Typen im Rennen:
- der Eurofighter Typhoon von Airbus (europäische Kooperation)
- die Rafale von Dassault (Frankreich)
- die Super Hornet von Boeing (USA)
- die F-35 von Lockheed Martin (USA)
Mehr zu den einzelnen Kampfjet-Typen und ihren Vor- und Nachteilen erfahren Sie hier.
Wie viel kosten die Jets und wie werden sie finanziert?
Dem Bundesrat steht für die Beschaffung der neuen Kampfjets ein Budget von maximal 6 Milliarden Franken zur Verfügung. 36 Kampfjets will man damit beschaffen. Die F-35, für die man sich nun entschieden hat, kosten nur knapp 5,1 Milliarden Franken, wobei bis zum tatsächlichen Zahltag in ein paar Jahren noch die Teuerung dazugerechnet werden muss.
Die Finanzierung läuft über das ordentliche Armeebudget, das pro Jahr um 1,4 Prozent erhöht wird. Was nach wenig klingt, macht in absoluten Zahlen viel aus: Beträgt das Budget für die Armee heute 5 Milliarden Franken pro Jahr, werden es in zehn Jahren schon über 5,7 Milliarden sein. Zudem ist der Kauf an Offset-Geschäfte geknüpft: Der Hersteller muss für 60 Prozent des Kaufpreises Aufträge in der Schweiz vergeben. Wirtschaftlich hat die Schweiz also etwas vom Kauf.
F-35 Interaktiv
Auf welcher Grundlage trifft der Bundesrat den Beschaffungs-Entscheid?
Der finalen Typenwahl des Bundesrats gingen jahrelange Analysen und Tests voraus. Im Frühling 2018 hatte das VBS seinen Anforderungskatalog für einen neuen Kampfjet veröffentlicht. Im Januar 2019 reichten die Kandidaten eine erste Offerte bei der Armee-Beschaffungsstelle Armasuisse ein. Daraufhin wurden die Flugzeuge zwei Monate lang im Simulator getestet, die Armee führte Gespräche mit den Herstellern und wertete die Offerten aus. Nach Flugtests auf dem Armeeflugplatz in Payerne VD fand dann die zweite Offert-Runde statt.
Die Armee hat die Jets nach vier Kriterien beurteilt: der Fähigkeiten des Flugzeugs (wird mit 55 Prozent am stärksten gewichtet), der Wartung (25 Prozent), der Kooperation (10 Prozent) und den Kompensationsgeschäften (10 Prozent). Die vier Kriterien zusammen machen 50 Prozent der Gesamtwertung aus. Die anderen 50 Prozent sind der Preis. Die F-35 landete bei allen Kriterien ausser den Kompensationsgeschäften auf Rang 1 und ist laut Bundesrat klar am günstigsten.
Wie geht es nach dem Entscheid des Bundesrats weiter?
Nun kommt nochmals das Parlament ins Spiel. Nach dem Entscheid für den Flugzeugtypen wird der Beschaffungsantrag für die Jets und die bodengestützte Luftverteidigung, die noch einmal knapp 2 Milliarden zusätzlich kostet, erarbeitet. Im Rahmen der Armeebotschaft soll das Parlament 2022 darüber entscheiden können. Erst wenn National- und Ständerat ihren Segen erteilt haben, wird der Kaufvertrag unterzeichnet – und die ersten Flugzeuge werden produziert.
Bis die ersten neuen Kampfflugzeuge unseren Luftraum schützen, werden also noch Jahre vergehen. Das Verteidigungsdepartement geht davon aus, dass die ersten Jets etappenweise ab 2025 angeliefert werden. Die letzten Flieger sollten bis 2030 in der Schweiz landen.
Ist dieser Zeitplan überhaupt einzuhalten?
Kaum. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), SP und Grüne haben eine fertig formulierte Volksinitiative auf dem Tisch, mit der sie den Kauf eines US-Jets verhindern wollen. Es ist zwar möglich, dass sich das Parlament davon nicht beeindrucken lässt und den Fahrplan des Bundes einhält. Doch sollte die Initiative zustande kommen, würde sich der Kauf verschieben – um mindestens zwei Jahre.
Hat die Initiative der Gegner eine Chance?
Die Chancen stehen nicht gut. Zwar zweifelt kaum jemand daran, dass die Initianten die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenbekommen. Auch ist es durchaus möglich, dass das Volksbegehren im Stimmvolk eine Mehrheit erreicht. Immerhin fiel bereits der Grundsatzentscheid für neue Flugzeuge ultraknapp aus. Und der umstrittene US-Jet dürfte ein eher leichteres Ziel sein.
Doch: Die Initiative droht am nötigen Ständemehr zu scheitern. Im vergangenen September hatten nur acht Kantone gegen den neuen Flieger gestimmt, 18 Kantone waren dafür – teilweise deutlich mit über 60 Prozent. Dieses Ergebnis dürfte nur schwer zu kehren sein.