Im November herrschte in Bundesbern europapolitischer Winter. Die Regierung schwieg, Parteien gingen in Deckung, dafür mobilisierten unabhängige Wirtschaftsgruppen gegen das Institutionelle Rahmenabkommen (InstA).
Im Bundesrat hatte das InstA einen schweren Stand, und gegenüber der Bevölkerung galt es, den standortpolitischen Schaden einer Aufkündigung zu minimieren.
Hochkarätige Absender
Just in jenen trüben Tagen landete auf dem Tisch von Viola Amherd eine 700 Seiten starke Offerte für den Eurofighter, den Kampfjet des europäischen Konsortiums mit Airbus-Beteiligung. Das Paket begleitete ein Brief an die VBS-Chefin, unterzeichnet von den Verteidigungsministern Deutschlands, Italiens, Spaniens und des Vereinigten Königreichs.
Die hochkarätigen Absender umgarnten die Eidgenossen mit einem Angebot, das den anstehenden Verhandlungsabbruch ideal abfedern könnte.
Wie SonntagsBlick aus bestens informierten Quellen erfahren hat, geht es konkret um grenzüberschreitende Partnerschaft in den Bereichen militärische Kooperation, Energie, wirtschaftliche Zusammenarbeit, wissenschaftliche Vernetzung, Umwelt- und Verkehrspolitik, Digitale Technologien, Cyber Security sowie Infrastrukturprojekte.
«Viernationenbrief» entscheidender Faktor
Natürlich lobbyieren bei einem solchen Milliardenentscheid alle Seiten auf sämtlichen Ebenen – Emmanuel Macrons Regierung weibelte in diversen Treffen für den Kampfjet Rafale, US-Präsident Joe Biden forcierte vorletzte Woche in Genf persönlich eine Anschaffung der F-35 von Lockheed Martin.
Der «Viernationenbrief» allerdings, wie er intern genannt wird, war dem Vernehmen nach ein entscheidender Faktor für den laufenden Konflikt innerhalb der Verwaltung. Es hat sich eine starke Gruppe gebildet, die das Rüstungsgeschäft als Mittel zur Kompensation der europapolitischen Risiken preist – zu süss schmecken die Verlockungen aus Berlin, Rom, Madrid und London.
Armee will amerikanischen F-35
Auf der anderen Seite wuchs der Gegendruck, also im militärisch dominierten Lager wichtiger Entscheidungsträger in der Armee. Dort will man partout den amerikanischen Tarnkappenbomber F-35, laut Verkäuferseite ein «Ferrari zum Preis eines Fords».
Worauf es zu Spannungen und Gehässigkeiten auf beiden Seiten kam, in der Öffentlichkeit zu höchst widersprüchlichen Angaben über die Kostenwahrheit des einen Fliegers, über die Pannenanfälligkeit des anderen oder über die wahren Absichten des einen oder anderen Anbieters.
Indiskretion
Dann griff jemand zur Ultima Ratio, die sich in solchen Auseinandersetzungen anbietet: zu einer Indiskretion. Also platzierte man beim Schweizer Fernsehen und bei der «NZZ» die Information, dass Amherd den F-35 wolle.
Die Rechnung ging auf – die Linke drohte mit einer Volksinitiative für den Fall, dass die Amis das Rennen machen, Expertenstimmen erhoben sich gegen den «Ferrari der Lüfte», und plötzlich steht das F-35-Lager in der Defensive – obwohl der Flieger gemäss Medienberichten in der technischen Evaluation am besten abschneidet.
Was niemand bestreiten kann, sind neutralitäts-, sicherheits- und datenpolitische Erwägungen, die nötig sind – vor allem bei einer US-Lösung. Während beim Eurofighter die Endmontagelinie für alle Maschinen in der Schweiz liegt, würde das bei der F-35 nur für vier Jets gelten. Dazu kommt das Szenario, dass im Reparaturfall amerikanische Ingenieure eingeflogen und hinter geschlossenen Schweizer Hangartoren hantieren würden.
Entscheid am Mittwoch?
Dementsprechend verdutzt war man auf europäischer Seite nach dem am Montag vermeldeten angeblichen F-35-Trumpf. Und bange stellt man sich nun die Frage, ob die sieben Bundesratsmitglieder, die am kommenden Mittwoch entscheiden, ausreichend informiert sind. Schliesslich umfassen die vier Offerten zusammen mehrere Tausend Seiten.
Renato Kalbermatten, Sprecher des Verteidigungsdepartements, sagt dazu auf Anfrage: «Alle für die Offerten relevanten Angebote und Informationen wurden an Armasuisse gerichtet und sind in der Evaluation berücksichtigt worden. Bundesrätin Amherd hat weitere Aspekte – zum Beispiel die Möglichkeiten der Stärkung der Beziehungen in der Sicherheitspolitik – mit den zuständigen Ministerinnen und Ministern der Anbieterländer in persönlichen Kontakten diskutiert.»
Vier Kriterien
Die Evaluation beim Bund basiere laut Kalbermatten auf vier Kriterien: Der Aspekt der Wirksamkeit mache 55 Prozent aus, der Produktesupport 25 Prozent, Kooperationen und Gegengeschäfte jeweils zehn Prozent. Kalbermatten: «Der Evaluationsbericht von Armasuisse, den der Bundesrat erhalten hat, enthält dementsprechend die Ergebnisse der Evaluation aller dieser Kriterien.»
Zum Viernationenbrief sagt er, dass sich das VBS «grundsätzlich nicht zur Korrespondenz zwischen Ministerien und Staaten» äussere.
Welcher Anbieter auch immer das Rennen machen wird – der politische Druck, unter dem die Regierung ihre Auswahl treffen wird, ist immens.