Mann und Frau, das reicht dem Bund. Er ist gegen die Einführung einer dritten Geschlechterkategorie für Personen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen. Das hat das Justizdepartement, damals noch unter Bundesrätin Karin Keller-Sutter (59, FDP), Ende Jahr in einem Bericht festgehalten.
Dabei ist das dritte Geschlecht beim Bund bereits Realität. Wer sich für das CH-Login registriert, das man für den Zugang zu Online-Dienstleistungen des Bundes benötigt, kann nicht nur Herr oder Frau anklicken – sondern auch «Mx». Dabei handelt es sich um eine im englischen Sprachraum verbreitete Kategorie für non-binäre Personen oder für Leute, die kein Geschlecht angeben wollen. Die zwei Buchstaben werden «Mix» oder «Mex» ausgesprochen.
Das dritte Geschlecht – ein «Versehen»
Das CH-Login wird für über 800 Behörden-Dienstleistungen verwendet. 1,7 Millionen Nutzer sind registriert. Arbeitslose brauchen das Login beispielsweise, um online Unterlagen beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) einzureichen. Und Bäuerinnen, um eine neue Kuh zu registrieren. Auch Zivis müssen das CH-Login nutzen, um ihre Einsätze zu planen. Ebenso Drohnenpiloten und -pilotinnen, wenn sie ihr Fluggerät registrieren wollen, was seit Anfang Jahr Pflicht ist. Sie alle können wählen, ob sie von den Behörden mit Herr, Frau oder «Mx» angesprochen werden wollen.
Bei vielen Formularen ist es inzwischen üblich, dass die Geschlechtsangabe nicht obligatorisch ist oder es eine Kategorie gibt wie «divers» oder «keine Angabe». Aber eben, die Landesregierung hält die neue Kategorie bislang nicht für notwendig. So ist die Bundesverwaltung nun mit dem «Mx» zeitgemässer unterwegs, als das der Bundesrat erlaubt.
Verantwortlich fürs CH-Login ist die Bundeskanzlei. Auf Nachfrage sagt sie, das Ganze sei ein «Versehen». Das dritte Geschlecht sei unbeabsichtigterweise bei einem Update Anfang Jahr aktiviert worden. «Wir werden das so rasch wie möglich korrigieren, voraussichtlich noch diese Woche», sagt Florian Imbach von der Bundeskanzlei. Die Nachfrage, wie genau es zu diesem Versehen hat kommen können, konnte die Bundeskanzlei am Montag nicht beantworten.
Gesellschaft sei noch nicht bereit
In Deutschland gibt es bereits seit 2018 die Möglichkeit, statt männlich oder weiblich «X» im Pass einzutragen. Auch Österreich belässt es nicht bloss mehr bei Mann und Frau. Und in den Niederlanden soll ab kommendem Jahr das Geschlecht auf der ID gar nicht mehr angegeben werden.
In der Schweiz sieht der Bundesrat die Gesellschaft aber noch nicht bereit fürs dritte Geschlecht. Das Justizdepartement hatte noch unter Keller-Sutters Führung auf die Nationale Ethikkommission (NEK) verwiesen. Diese habe 2020 festgehalten, dass die heutige Regelung zwar unbefriedigend sei, zuerst aber «die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Aufgabe des binären Geschlechtermodells geschaffen werden müssten», so die Landesregierung.
Linke hoffen auf Baume-Schneider
Nur: So hat das die Ethikkommission gar nie gesagt. Wie Blick berichtete, vertritt die Kommission vielmehr die Position, dass es am besten wäre, wenn das Geschlecht in offiziellen Registern gar nicht mehr erfasst würde. Da eine solche Änderung weitreichende Folgen hätte, sei es aber besser, in mehreren Etappen vorzugehen. Als ersten Schritt empfiehlt die NEK die Einführung eines dritten Geschlechts.
Auf Antrag der Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (42) beschäftigt sich die Rechtskommission des Nationalrats nun nochmals mit dem Thema. Sie hört Trans-Personen an. Danach prüfen die Grünen, entgegen der bundesrätlichen Haltung, die Einführung des dritten Geschlechts auf parlamentarischem Weg durchzubringen. Eine Hoffnung der Linken ist, dass die neue Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59, SP) dem Thema offener gegenübersteht als Vorgängerin Keller-Sutter.