«Ich bin dann mal weg». So ist der Artikel übertitelt, den der bekannte deutsche Publizist Henyrk M. Broder (75) für die aktuelle Ausgabe der «Weltwoche» geschrieben hat. Es ist sein vorerst letzter.
Wie der Titel schon sagt, will Broder nicht mehr für die «Weltwoche» schreiben – weil Verleger und Chefredaktor Roger Köppel (57) dort einen Pro-Putin-Kurs fährt. «Ich habe kein Verständnis für Putinisten, die behaupten, die Russen seien nur einem Nato-Angriff zuvorgekommen», so Broder, der seit mehr als 20 Jahren regelmässig in der Zürcher Zeitschrift publiziert. «Sie kommen auch in der ‹Weltwoche› zu Wort – weswegen ich soeben mit diesem Text meine Mitarbeit bei dieser Zeitschrift für beendet erklärt habe.»
Die angebliche «Vorgeschichte»
Broder stört sich an den Stimmen, die finden, dass der Krieg in der Ukraine eben eine Vorgeschichte habe und Russland gar nicht anders gekonnt habe als den Nachbarn zu überfallen. «Ja», schreibt Broder, «es gibt immer eine Vorgeschichte, meistens sogar mehrere, die miteinander konkurrieren. Auch im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Fest steht allerdings, dass Russland derzeit in der Ukraine wütet und nicht umgekehrt.»
Auch Stimmen, die darauf hinweisen, dass die Ukraine zu den korruptesten Ländern der Welt gehört, weist Broder in die Schranken: «Die Botschaft lautet: Ein dermassen korruptes Land wie die Ukraine verdient es nicht, verteidigt zu werden.»
Was ist mit Korruption bei uns?
Doch wäre Korruption eine Vorbedingung für die Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung und sichere Grenzen, müsste das deutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern aufgelöst werden, dessen Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sich vom russischen Energiekonzern Gasprom mit 20 Millionen Euro schmieren liess. Oder Bayern, wo Korruption ein Teil der bayerischen Folklore sei.
Auch in der «Weltwoche», so Broder, kämen Putin-Versteher zu Wort, «die Russlands verlorene Ehre wiederherstellen wollen».
Köppel outet sich als «Putinist»
Und da kann er gleich beim Verleger selbst anfangen – auch wenn Köppel im Artikel mit keinem Wort erwähnt wird. Der SVP-Nationalrat fällt seit Kriegsbeginn durch ebenjenes von Broder angeprangertes Putin-Verständnis auf. So schrieb er in seinem Editorial vor zwei Wochen: «Der Grund für diesen Angriff liegt nach Auffassung der russischen Staatsführung in einer antirussischen Politik der ukrainischen Regierung, kompromisslos darauf ausgerichtet, den an Russland grenzenden Staat in die EU und vor allem ins Militärbündnis der Amerikaner einzugliedern. Das wollen die Russen nicht akzeptieren. Ihre Warnungen wurden in den Wind geschlagen.»
Doch um von den eigenen Fehlern abzulenken, setze der Westen auf «Dämonisierung und Schauermärchen». Wie jenes, dass Putin sei mindestens so schlimm wie Hitler, Stalin, Dschingis Khan «oder alle drei zusammen». Und die Medien würden versuchen, den Nachweis einer bei den Russen tiefsitzenden kriegerischen Grausamkeit, einer Art Kultur-Konstante der Entmenschung, zu erbringen.
Für Broder wohl zu viel. «Schade», schreibt er, «aber es geht nicht anders.»