Heikle diplomatische Korrespondenzen
Die Schweiz schrieb nicht nur Putin höfliche Worte

Viola Amherd schickte Putin am Tag seiner Wiederwahl einen Brief. Die neutrale Schweiz versendet im Zeichen der Diplomatie immer wieder Glückwunschbekundungen – auch nach undemokratischen Wahlen.
Publiziert: 21.04.2024 um 19:57 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2024 um 10:26 Uhr
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Heikle Korrespondenz der VBS-Chefin: Viola Amherd schrieb Putin einen Brief zur Wiederwahl.
Foto: Keystone

Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd (61) hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (71) letzte Woche einen Brief geschrieben. Auslöser war Putins Wiederwahl im März. Darüber hat Blick berichtet.

Das besagte Schreiben konnte Blick bisher nicht einsehen – bei Amherds Verteidigungsdepartement (VBS) heisst es lediglich: «Der Brief ist kein Gratulationsschreiben. Es handelt sich um einen Brief, der angesichts der neuen Amtszeit des russischen Präsidenten mehrere Themen umfasst.»

Das VBS fasste auf Anfrage summarisch zusammen, was in Amherds diplomatischer Post an Putin gestanden haben soll: etwa eine «Aufforderung zum Dialog in schwierigen Zeiten». Die Bundespräsidentin erkläre die Position der Schweiz, wonach die Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte und die in der Uno-Charta verankerten universellen Grundsätze Kompass für das Streben nach Frieden und Wohlstand sein müssten.

Als zynisch kritisiert

Ob sich Putin, der in der Ukraine noch immer einen brutalen Angriffskrieg führt, von solcher Post beeindrucken lässt? Wohl kaum.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein diplomatisches Schreiben aus der Schweiz für Stirnrunzeln sorgt. So schickte der damalige Bundespräsident Alain Berset (52) letztes Jahr Glückwünsche an die Islamische Republik Iran. Mit einer Nachricht gratulierte der Freiburger dem Regime zum 44. Jahrestag. Und das, obwohl das Regime im Iran Hunderte Demonstranten tötete, Tausende Kritiker undemokratisch ins Gefängnis warf.

Die Empörung über die bundesrätliche Post war in der Schweiz gross. «Solche Höflichkeiten wirken zynisch angesichts der Brutalität des iranischen Regimes gegen das eigene Volk, die Menschenrechtsverletzungen, die Folterungen und Hinrichtungen», kritisierte etwa Mitte-Nationalrätin Marianne Binder (65) die Aktion gegenüber der «NZZ».

Erdogan erhielt helvetische Post

Auch in die Türkei gingen schon Glückwunschschreiben nach undemokratischen Wahlen. So gratulierte Berset auch dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (70) zur Wiederwahl 2018. Der vorangegangene Wahlkampf war alles andere als frei und fair.

Jedes Mal, wenn die Schweiz wieder Briefpost in ein undemokratisches Land schickt, heisst es jeweils von Seite Bund, es entspreche den diplomatischen Gepflogenheiten, Staatschefs von Ländern, mit denen die Schweiz diplomatische Beziehungen pflege, zur Wahl zu gratulieren.

Doch es geht auch anders. Das zeigt EU-Ratspräsident Charles Michel (48) dieses Jahr. Dieser hätte schon zwei Tage vor dem Wahlende spöttisch Putin als Sieger der russischen Präsidentenwahl gratuliert und damit auf die undemokratischen Wahlen hingewiesen.

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«Ich möchte Wladimir Putin zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren» höhnte er auf X. «Keine Opposition. Keine Freiheit. Keine Wahl», schrieb er weiter. (sie)

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