Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) hat die Abstimmungsniederlage noch nicht verdaut. Mit 58 Prozent hatte die Stimmbevölkerung vergangenen Monat Ja zu einer 13. AHV-Rente gesagt – gegen den Widerstand des Bundesrats und der bürgerlichen Parteien.
Im Interview mit der «NZZ» übt sie nun Kritik am Engagement der Bürgerlichen. Die Sozialdemokratin wirft ihnen vor, sich im Abstimmungskampf zu wenig engagiert zu haben. So sagt sie bezogen auf die kommenden Gesundheits-Abstimmungen: «Ich hoffe, dass nun im Abstimmungskampf alle ihre Verantwortung wahrnehmen, auch die Parteien und Verbände. In der Debatte um die 13. Rente habe ich mich ein wenig allein gefühlt.»
«Nicht alle haben Vollgas gegeben»
Die Kritik trifft bei den Kritisierten einen wunden Punkt. Sie reagieren auffallend kleinlaut auf den Larifari-Vorwurf der SP-Bundesrätin. «Auch ich hatte nicht den Eindruck, dass wir alle Vollgas gegeben haben», sagt FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt (30). Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass man insbesondere von den Parteipräsidenten von FDP und Mitte mehr erwartet hätte.
«Wir müssen sicher alle die Lehren aus der AHV-Abstimmung ziehen, um es bei den Prämien-Initiativen besser zu machen», meint SVP-Präsident Marcel Dettling (43). Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der bei der Nein-Kampagne den Lead hatte, will sich derweil nicht zu Baume-Schneiders Kritik äussern. Und der Arbeitgeberverband verteidigt sich: «Die Initiative war aus unserer Sicht nicht zu gewinnen», sagt Sprecher Stefan Heini.
Mehr zu den Abstimmungen am 9. Juni
Baume-Schneider in der Zwickmühle
FDP-Präsident Thierry Burkart (48) wirft Baume-Schneider aber auch vor, selbst nicht volles Engagement gezeigt zu haben. «Im Gegensatz zur AHV-Abstimmung ist die FDP im Lead gegen die Prämienentlastungs-Initiative. Daher schaue ich nach vorne und freue mich, wenn Bundesrätin Baume-Schneider sich ebenfalls intensiver gegen diese Initiative einsetzen wird», sagt er. SVP-Chef Dettling nimmt ebenfalls nicht nur das eigene Lager, sondern auch die Regierung in die Pflicht.
Elisabeth Baume-Schneider war in einer schwierigen Ausgangslage, schliesslich musste sie in ihrem ersten Abstimmungskampf als Innenministerin gegen ihre eigene Partei antreten. Gleich verzwickt ist die Ausgangslage für sie bei der Prämienentlastungs-Initiative der SP, über die am 9. Juni abgestimmt wird.
Haben die Bürgerlichen nichts gelernt?
Den Bürgerlichen und der SP-Bundesrätin droht die nächste Niederlage. Auch die Prämien-Initiative kommt in der Bevölkerung gut an, wie Umfragen zeigen. Und zwar nicht nur bei Links, sondern auch bei SVP-Anhängerinnen und -Anhängern.
Obwohl man sich im bürgerlichen Lager jetzt selbstkritisch zeigt, ist fraglich, wie viel man aus der verlorenen Abstimmung gelernt hat. Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse oder der Arbeitgeberverband halten sich im Abstimmungskampf vornehm zurück und überlassen die Arbeit hauptsächlich den Freisinnigen. «Gesundheitspolitik gehört anders als die Sozialpolitik nicht in unseren Zuständigkeitsbereich», begründet der Arbeitgeberverband die Zurückhaltung.
Gleichzeitig gibt es kritische Stimmen, die befürchten, dass einem das auf die Füsse fallen könnte. Man versuche nun, weitere Akteure zu mobilisieren, sagt Nationalrat Silberschmidt: «Es geht um das Portemonnaie der Bevölkerung. Wenn die Kaufkraft sinkt, geht das alle etwas an.»