Den Entscheid werden sehr viele Haushalte im Portemonnaie zu spüren bekommen. Am Donnerstag hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) den für die Mieten massgebenden Referenzzinssatz um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent angehoben. Es ist die erste Erhöhung seit dessen Einführung vor 15 Jahren. Vermieter können sich die Hände reiben: Viele von ihnen dürfen die Mietzinse jetzt von Gesetzes wegen nach oben schrauben, und zwar um satte 3 Prozent. Zahlreiche Haushalte werden bis Ende Monat ein Schreiben mit der Ankündigung einer Mietzinserhöhung ab dem nächsten Kündigungstermin erhalten.
Gemäss dem BWO dürfte die Miete für viele Haushalte dieses Jahr sogar gut und gern um 5 oder 6 Prozent steigen. Denn auch die Inflation dürfen die Vermietenden zu einem Teil weitergeben. Und schon bald könnte laut dem Bund wegen der Entwicklung der durchschnittlichen Zinsen auf Hypotheken, an die die Erhöhung gekoppelt ist, eine weitere Erhöhung des Referenzzinssatzes anstehen. Was den Vermietern wieder erlaubt, an der Mietzinsschraube zu drehen.
Haus, Auto, Ferien können sich viele nicht mehr leisten
Höhere Krankenkassen-Prämien, steigende Nebenkosten, teurere Lebensmittel – und jetzt auch noch mehr Miete. Philipp Frei (39), Geschäftsführer des Dachverbands Budgetberatung Schweiz, bereiten diese Aussichten Sorge. «Seit Jahren steigen die Lebenshaltungskosten. Das frei verfügbare Einkommen wird immer kleiner», sagt er.
Einfamilienhaus, Auto, Ferien im Ausland: Noch vor 40 Jahren sei das für eine Familie kein Problem gewesen. «Heute können sich das viele nicht mehr leisten.» An Budgetberatungsstellen würden sich längst nicht mehr nur Familien an der Armutsgrenze wenden, sondern auch Leute aus dem Mittelstand, die wegen der massiven Kostensteigerungen Mühe haben, die Rechnungen zu zahlen.
Früher galt die Faustregel, dass die Miete nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen sollte. Doch inzwischen sei das nicht mehr angemessen, sagt Frei. Heute lautet der Rat, rund einen Viertel für die Miete auszugeben – sonst könnte es zu knapp werden.
«Budget bläst sich schleichend auf»
Am happigsten aufgeschlagen haben die Krankenkassenprämien. Knapp 700 Franken sind es aktuell, die ein Haushalt laut Schätzungen des Bundes im Schnitt für die Prämien aufbringen muss. In einem solchen Durchschnittshaushalt leben 2,1 Personen. Auf 12 Monate hochgerechnet sind das 750 Franken mehr als noch vor fünf Jahren.
In anderen Bereichen sind die Kosten derweil nur leicht gestiegen. Doch auch das läppert sich. «Das Budget bläht sich schleichend immer mehr auf», stellt Andrea Gärtner (62), Sozialberaterin bei der Caritas Zürich, fest. Sie berät Familien in der Stadt, die von Armut betroffen sind.
Zwei Monatslöhne Reserve
Folge der steigenden Lebenskosten sei, dass Eltern mit ihren Kindern nicht mehr regelmässig zum Arzt gingen – sondern erst, wenn es wirklich dringend ist. Eine Entwicklung, die sie seit einigen Jahren beobachte. «Ausserdem müssen immer mehr Familien bei der Qualität des Essens Abstriche machen.» Und der Besuch der Familie im Heimatland sei ebenfalls für viele Familien mit Migrationshintergrund unerschwinglich geworden. Ihr Fazit: Dass nun zusätzlich zu den Energiekosten auch noch die Mieten steigen, sei für Armutsbetroffene «sehr schlimm».
Was tun, um finanziell nicht ins Schlingern zu kommen? Als Rat gibt Philipp Frei Familien mit auf den Weg, ein Budget zu erstellen. Bei Miete und Nebenkosten solle man mit einem etwas höheren als dem tatsächlichen Betrag rechnen, empfiehlt er. «Gut ist, wenn man mindestens ein bis zwei Monatslöhne Reserve hat.»